Schlossmuseum Murnau erinnert an den Architekten Emanuel von Seidl

Bauen im „gelobten Land“

MURNAU – Emanuel von Seidl (1856 bis 1919) war einer der bedeutendsten Architekten und Ausstatter von Landhäusern. Zudem gestaltete er Landschaftsparks und Gärten, meist im englischen Stil. Bislang unbekannte Dokumente und Pläne sowie aktuelle Forschungen haben Neues über ihn ans Licht gebracht. 

Die Leiterin des Schlossmuseums Murnau, Sandra Uhrig, die Kunsthistorikerin Katharina Drexel und die Leiterin des Marktarchivs Murnau, Monika Hruschka, haben diese Neuigkeiten unter dem Titel „Verloren, doch nicht vergessen“ in den Mittelpunkt der Murnauer Winterausstellung 2019/20 gestellt.

Seidls älteste Schwester Theresia, verheiratet mit dem Handschuhfabrikanten Roeckl, hatte Murnau als Urlaubsort entdeckt und dort 1891 ein Landhaus gekauft. Für ihren jüngsten Bruder Emanuel war das wohl – neben der landschaftlichen Kulisse und den Naturschönheiten der Umgebung – der Grund, sich ebenfalls dort niederzulassen. 

Luxuriöser Landsitz

In Murnau baute sich der Architekt einen Landsitz ganz nach seinen Vorstellungen. Natürlich stattete er auch die Innenräume aufs Prächtigste aus und kein Detail wurde dem Zufall überlassen. Leider wurde Seidls Villa, ein luxuriöses Gesamtkunstwerk, 1972 abgerissen. 

Im damaligen Musikzimmer hing ein großes Gemälde, das Emanuel von Seidl zu seinem 50. Geburtstag geschenkt bekam. Es zeigt ihn im Kreis von zwölf Freunden. Freundschaft hatte für Seidl einen hohen Stellenwert. Im Park seines Landhauses, den er im englischen Stil bepflanzte, ließ er einen Freundschaftshügel errichten, einen Freundschaftsbaum pflanzen und einen Freundschaftsbrunnen anlegen. Es fanden sich dort aber auch Weiher und das Badehäuschen „Gloriettl“, Alleen und ein Eiskeller.

Rauschende Feste wurden im Landhaus und im Park gefeiert. Vom gesellschaftlichen Leben des erfolgreichen Architekten zeugen vier Gästebücher, in denen sich Künstler, Unternehmer und Freunde mit Malereien, Scherenschnitten, Reimen und Fotografien verewigten. Die Gästebücher befinden sich in der Handschriftenabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek München und wurden auf Initiative des Schlossmuseums Murnau digitalisiert. Der Besucher kann nun mit großem Vergnügen die digitalen Gästebücher durchblättern und die zum Teil amüsanten und lustigen, zum Teil aufschlussreichen Einträge berühmter Leute jener Zeit lesen.

Seidl nannte die Murnauer Gegend sein „gelobtes Land“. Dem so geschätzten Ort wollte der Architekt ein Geschenk machen. Mit seinem Gespür, Architektur und Landschaft miteinander zu verweben, stellte er im Jahr 1905 der Öffentlichkeit seine Ideen für eine Ortsverschönerung vor. 

Die Begeisterung dafür war in Murnau groß. Das Rathaus und die Häuserfassaden am Ober- und Untermarkt wurden nun farbenfroh in Gelb und Blau, Rot, Rosa und Grün bemalt und dekorativ gestaltet, so dass die heutige Einkauf- und Flaniermeile ein buntes, sonniges Ambiente und einen unglaublichen Reiz auf Bewohner und Gäste ausstrahlt.

Emanuel von Seidls Schaffensgebiet reichte bis Norddeutschland und von Prag bis zur französischen Grenze. Viele Fotos, Dokumente und Ausstellungsstücke zeugen von seinem genialen Geist. Die Sonderausstellung in Murnau ruft sein Wirken wieder ins Gedächtnis.

Ingrid Paulus

Schlossmuseum Murnau,

„Verloren, doch nicht vergessen“, zu sehen bis 1. März, Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr.