Beim „Brückenschlag über die Leiblach“ gibt der Lauf des Wassers den Weg vor

Dankbar über Grenzerfahrung

IGMARSZELL – Verwunschene Tobelbäche, schattige Schluchtwälder, rauschendes Wasser und viele weite Ausblicke – das erwartet Wanderer beim „Brückenschlag über die Leiblach“. Die Halbtagestour entlang des naturnahen Mittelgebirgsflusses, der zwischen Lindau auf deutscher und Hörbranz auf österreichischer Seite in den Bodensee mündet, bietet aber vor allem eins: Grenzerfahrungen aus erster Hand.

Gute elfeinhalb Kilometer abwechslungsreichen Fußmarsches stehen heute auf dem Programm. Sie sind Bestandteil der „Westallgäuer Wasserwege“, die auf 31 Wandertouren quer durch die Vor­alpenlandschaft führen, vorbei an zahlreichen sehenswerten Punkten rund um das Thema Wasser. Wasserfälle, Flüsse, Bäche, Seen, Moore, Mühlen und vieles mehr warten darauf, erkundet zu werden. Und auf vielen Tafeln wird man entlang der Wasserwege über die heimische Flora und Fauna informiert und erfährt viel Wissenswertes über interessante geschichtliche Wendungen. 

Kurz nach dem Start bei der St.- Gallus-Kirche in Sigmarszell-Kirchdorf wird auf dem „Zellersteg“ zum ersten Mal die Leiblach und damit auch die Grenze zwischen Deutschland und Österreich überquert. Ein gutes Gefühl stellt sich unwillkürlich ein und eine innere Freude, dass das, was lange Monate in Zeiten von Corona nicht erlaubt war, im Sommer 2021 endlich wieder möglich ist.

Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts diente der alte Zellersteg als Kirchweg von Hohenweiler nach Sigmarszell. Später war er Verbindungsweg über die grüne Grenze, bis er 1952 bei einem Hochwasser zerstört wurde. Im Jahr 2004 ist der Geh- und Radweg von Sigmars­zell nach Hohenweiler von beiden Gemeinden mit Unterstützung der EU, das Landes Vorarlberg und des Freistaats Bayern neu gebaut worden.

Die Macht des Wassers gibt hier den Lebenspuls vor. Dieser Erkenntnis darf man sich am Rücken des Pfänders auf Schritt und Tritt bewusst sein. Es geht rauf und runter. Bald ist die Hälfte der Strecke absolviert. Von der wilden Natur zu einem Ort der Ruhe und Einkehr ist es nicht weit. Die Zisterzienserinnenabtei Mariastern Gwiggen geht auf die im 13. Jahrhundert im Schweizer Kanton Thurgau gegründeten Abteien Kalchrain, Feldbach und Tänikon zurück, die 1848 aufgehoben wurden. 1856 setzten die Schwestern ihr klösterliches Leben im Schlösschen Gwiggen in Vorarl­berg fort. Das ehemalige Schlossgebäude mit der Lorettokapelle entstand bereits im 17. Jahrhundert. Die Höfe auf diesem Gebiet tauchten schon um 802 in Urkunden als „Cawicca“ auf, was so viel wie Wegscheide bedeutet. 

WLAN im Kloster

Die Regel des heiligen Benedikt und der Wechsel zwischen Gebet, Arbeit und Geistlicher Lesung bestimmen nach wie vor den Lebensrhythmus der Zisterzienserinnen. Das Angebot des Hauses umfasst aber auch Besinnungstage oder spirituelle Impulsabende. Und wer als Studierender einen ruhigen Ort zum Schreiben seiner Bachelor- oder Masterarbeit sucht, dem wird ein Zimmer mit kostenlosem WLAN angeboten. Für zwei Stunden Mitarbeit pro Tag in Haus und Garten sind sogar Unterkunft und Verpflegung frei. 

Eine Rast im gemütlichen Biergarten des Gasthofs „Zum Bad Diez­lings“ ist im weiteren Verlauf der Wanderung fast schon ein Muss. Die Kässpätzle schmecken prima, das kühle Getränk auch. Hier hat der weltbekannte Schriftsteller Norbert Jacques 1920 nicht nur gespeist, sondern auch seinen Roman „Dr. Mabuse, der Spieler“ geschrieben. Dass es in früheren Zeiten an diesem Ort außer einem Wirtshaus auch ein Heilbad gab, daran erinnert die benachbarte Kneippanlage der Gemeinde Hörbranz. Also Schuhe und Socken runter und sich eine erfrischende Abkühlung für die müden Füße gönnen.

Lochersteg

Dann geht’s wieder über die Grenze, diesmal zurück nach Bayern. Eine schmale Holzbrücke, der sogenannte „Lochersteg“, verband schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Menschen auf beiden Seiten der Leiblach. Als Vorarlberg 1815 wieder zu Österreich kam, wurde die Leiblach zum Grenzfluss, und der Lochersteg geriet in den Blickwinkel der Obrigkeit. Es folgten viele Veränderungen für die grüne Grenzverbindung, die am 30. April 1945, wenige Tage vor Ende des Zweiten Weltkriegs, gar gesprengt wurde. 

Nach rund vier Stunden ist der Ausgangspunkt der Wanderung bald wieder erreicht. Wieder weist der Lauf der Leiblach den Weg. Die Vögel zwitschern auch am frühen Nachmittag immer noch um die Wette. Brigitte Geiselhart

16.09.2021 - Bistum Augsburg , Pilgerreise