Interview

Herzensangelegenheit Frieden

AUGSBURG – Christian Artner-Schedler ist nach 34 Jahren als Referent für Friedensarbeit beim Augsburger Diözesanverband der­ Internationalen katholischen Friedensbewegung Pax Christi in den Ruhestand gegangen. Während dieser Zeit organisierte der ­Diplom-Theologe Bildungsveranstaltungen, Reisen nach Israel, Bosnien und in die Sowjetunion, Aktionen zu Rüstungsexporten, Ostermärsche und Friedensgebete. Als erster hauptamtlicher Friedensreferent hat er die Stelle aufgebaut und geprägt.

Herr Artner-Schedler, war es schlimm für Sie, dass Sie wegen der Corona-Pandemie nur online, nicht persönlich und ohne Fest verabschiedet worden sind?

Natürlich war es sehr schade. Der Vorstand hat aber eine sehr schöne Form gefunden, viele waren online dabei – sogar mit Sektglas. Mich hat es sehr berührt und ich fühlte mich wertgeschätzt. Wenn man sich über so viele Jahre vertrauensvoll und freundschaftlich zusammen für eine gerechtere und friedvollere Welt einsetzt, da hätte ich gern viele nochmal persönlich getroffen, sie umarmt. Ich habe gesehen, Pax- Christi-Leute können auch online wunderbar feiern. Andererseits gibt es doch Wichtigeres in diesen Tagen.

Wer führt Ihre Stelle weiter?

Wir sind in Pax Christi sehr glücklich, dass wir die Stelle mit Franziska Meszaros, die Friedens- und Konfliktforschung studiert hat, Mediatorin und Friedensfachkraft ist, sehr kompetent besetzen konnten. Meine allerbesten Wünsche für Sie! Gut auch, dass die Stelle nun strukturell bei der Diözese angebunden ist.

Sie waren 34 Jahre lang Referent für Friedensarbeit. Wie ist es Ihnen in den Anfangsjahren ergangen?

Es war ein Aufbruch zu spüren. Es gab großes Wohlwollen und aus der „Hoch-Zeit“ der Friedensbewegung eine große inhaltliche Kompetenz und ein Friedensenthusiasmus, der auch mich gestärkt und motiviert hat. Ja, es war Neuland, es gab ja diese hauptamtliche Stelle nicht. Ein funktionierendes Büro musste aufgebaut werden, Kontakte geknüpft und Themen erarbeitet werden. Es waren mutige Schritte, die der damalige Vorstand mit Winfried Voggeser, Dr. Michael Mayr und Bernhard Gruber gegangen ist, auch in finanzieller Hinsicht. Mit der Gründung eines gemeinnützigen Vereins wurde erst einmal eine Halbtagsstelle auf Spendenbasis geschaffen. In der Familiengründungsphase und danach hat das für mich gut gepasst. Wichtig war für mich, mich mit der Arbeit der Pax-Christi-Bewegung in hohem Maße identifizieren zu können, die Inhalte für Kirche und Gesellschaft wertvoll und wichtig zu finden. Die Friedensthematik ist mir immer ein Herzensanliegen geblieben. Für mich der richtige Platz, theologisch gesprochen meine Berufung.

An welche Ereignisse in der Zeit Ihres Wirkens denken Sie besonders gerne zurück und warum?

Generell waren es die vielen Begegnungen mit wunderbaren friedensbewegten Menschen innerhalb und außerhalb der Bewegung. Das war so oft bereichernd und inspirierend. Ich denke an viele Vorträge, Seminare, an so manche eindrucksvollen Straßenaktionen wie das „Boot ist voll“ zur Flüchtlingsthematik oder „Die goldenen Nasen“, die auf die ungezügelte deutsche Rüstungsexportpolitik öffentlich aufmerksam machte. Das hat auch Spaß gemacht. Friedensarbeit bedeutet nicht, Sauerkost anzubieten, sie soll Leute mitnehmen und Bereicherndes für das Leben aufzeigen. Besonders nachdrücklich sind mir unsere Begegnungsreisen in die damalige Sowjetunion und in den letzten Jahren nach Palästina und Israel geblieben. Das Erleben der Familien in Bethlehem mit der Mauer und den unerträglichen Checkpoints im Land, die Situation in Hebron bleiben in Erinnerung. Trotz dieser belastenden Lebenssituation dort hat mich manche israelische und palästinensische Friedensorganisation wie zum Beispiel „parents circle“ tief bewegt. Diese israelischen und palästinensischen Mitglieder haben jeweils ein Familienmitglied durch Gewalt verloren und suchen doch Wege zur Versöhnung.

Sie haben sich auch sehr für die „friedens räume“ in Lindau engagiert. Was bedeutet Ihnen dieses Museum?

Die „friedens räume – mehr als ein museum“ sind ein besonderes Leuchtturmprojekt von Pax Christi Augsburg. Als Team haben wir mit Lust, Kraft und Fantasie 1999/2000 eine attraktive Neukonzeption entwickelt, die deutlich über unsere Region ausstrahlt. Ich freue mich, dass ich durch meine Mitarbeit dazu beitragen konnte. Die „friedens räume“ werden kommendes Jahr bereits 20 Jahre. Ehrlich, da sind wir schon ein wenig Stolz darauf. Gerne lade ich die Leser und Leserinnen auf einen Besuch 2021 ab Saisoneröffnung ein.

Wie wichtig ist Ihnen der spirituelle Hintergrund in der Friedensarbeit?

Genau das macht Pax Christi ja aus: Gebet, Information, Aktion – die Verbindung von Spiritualität und politischem Engagement. Das gibt uns den langen Atem – Friedensarbeit ist das Bohren dicker Bretter – und lässt uns nicht verzweifeln und aufgeben, wenn wir politisch oft nicht gleich erfolgreich sind. Es ist nicht alles in unserer Hand, aber wir tun das Unsere aus dem Verständnis der jesuanischen aktiven Gewaltfreiheit dazu. In der gemeinsamen spirituellen Praxis stärken wir uns immer wieder für den Friedensauftrag in Kirche und Gesellschaft.

Wofür ist der Augsburger Diözesanverband von Pax Christi im November mit dem Dr.-Ike-Roland-Preis ausgezeichnet worden? Was bedeutet er Ihnen?

In der Urkunde heißt es: in Anerkennung des vorbildhaft-gesellschaftlichen Engagements. Der Preis ist eine schöne Anerkennung für all unsere Mitglieder, die sich seit Jahrzehnten in der Diözese für eine Friedensarbeit auf ganz unterschiedlichen Ebenen christlich motiviert politisch engagieren. So ist der Preis Anerkennung und weiterhin Ansporn zugleich.

Wie wollen Sie Ihren Ruhestand gestalten ?

Da kommt mir so manches in den Sinn: mehr Zeit für Familie mit Garten und Tieren, Kultur, Freunde und Freundinnen treffen, unserem Sohn beim Hausumbau helfen, als Volontär in einem Friedensprojekt in Palästina mitarbeiten, die „friedens räume“ unterstützen oder auch gesund und wachsam bleiben. 

Interview: Gerhard Buck

04.01.2021 - Bistum Augsburg , Interview