Pfarrgemeinderatswahl 2022

„Anderes und Neues zulassen“

AUGSBURG – In den bayerischen Diözesen finden unter dem Motto „Christ sein. Weit denken. Mutig handeln.“ am 20. März turnusgemäß nach vier Jahren wieder Pfarrgemeinderatswahlen statt. Susanne Kofend, Geschäftsführerin des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Augsburg, ruft dazu auf, als Mitglied im Pfarrgemeinderat die Kirche mitzugestalten und mit anzupacken:

Frau Kofend, wer kommt für das Amt als Pfarrgemeinderat in Frage?

Laut Wahlordnung für die Laiengremien in den Pfarreien unseres Bistums dürfen Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet und ihren Wohnsitz in der Pfarrei haben, für den Pfarrgemeinderat kandidieren. Entscheidend ist natürlich, dass die Bereitschaft gegeben ist, sich aktiv am kirchlichen Leben zu beteiligen. Die Möglichkeiten dafür sind ja unglaublich vielfältig.

 

Wie kann man junge Leute motivieren, sich im Pfarrgemeinderat zu engagieren?

Vielfach kann man heute bei jungen Menschen eine – durchaus im positiven Sinn – kritische Haltung gegenüber der Kirche wahrnehmen. Nicht selten resultiert daraus aber ein Rückzug aus dem kirchlichen Leben. Das halte ich nicht für den richtigen Schritt. Ich glaube, dass Veränderung nur dann möglich ist, wenn wir dabei bleiben, uns engagieren und uns mit den Themen auseinandersetzen, wenn wir frischen Wind und neue Ideen einbringen und alle Gestaltungsmöglichkeiten nutzen. Und da ist bei jungen Menschen sicherlich ganz großes Potenzial vorhanden. 

Oft finden sich Kandidaten für den Pfarrgemeinderat auch unter Jugendlichen, die sich bereits als Ministranten oder als Mitglied in einer der kirchlichen Jugendgruppen in ihrer Pfarrei engagiert haben. Für alle gilt: Im Pfarrgemeinderat kann man mit einer Gruppe Gleichgesinnter Dinge bewegen, kann Verantwortung übernehmen und für sich selbst auch etwas mitnehmen. Nicht zuletzt kann die eigene Spiritualität die pastorale Arbeit befruchten und daran wachsen. Jeder und jede ist mit ihren je eigenen Fähigkeiten und Talenten wertvoll und wichtig.

Wie viel Zeit müssen Pfarrgemeinderäte in der Regel für ihr Engagement aufbringen? Ist das Amt mit Familie und Beruf ohne weiteres zu vereinbaren?

Familie und Beruf sind sicherlich kein Hinderungsgrund für ein Engagement im Pfarrgemeinderat. Oft ist es ja sogar so, dass man mit der Familiensituation in die Arbeit in der Pfarrei hineinwächst, zum Beispiel mit kleinen Kindern in der Vorbereitung von Familiengottesdiensten oder in der Leitung einer Kommunionvorbereitungsgruppe. Man darf später auch aus diesen Aufgaben wieder herauswachsen und andere übernehmen, die den eigenen Interessen möglicherweise mehr entsprechen. Ich glaube, so haben viele im Pfarrgemeinderat angefangen und sind dann über einen langen Zeitraum dabei geblieben. 

Auch die zeitlichen Ressourcen, die aufgrund beruflicher Verpflichtungen unterschiedlich verfügbar sein können, lassen sich mit der Arbeit in der Pfarrei gut vereinbaren. Es gibt immer kleinere und größere Aufgaben, flexible Spielräume und letztendlich die Absprachen untereinander, die zur gegenseitigen Unterstützung und Entlastung führen können.

Vielerorts gibt es bereits einen gemeinsamen Pfarrgemeinderat für eine Pfarreiengemeinschaft (PG). In jüngerer Zeit gegründeten PGs steht dieser Schritt noch bevor. Wie wurden solche Änderungen bisher bewältigt? Fühlen sich die einzelnen Pfarreien im gemeinsamen PG-Ratsgremium ausreichend vertreten?

Ein gemeinsamer Pfarrgemeinderat ist nicht in erster Linie eine notwendige Konsequenz aus der Einrichtung einer Pfarreiengemeinschaft, sondern eine Überlegung, wie Pfarreien, die räumlich sehr nahe beisammen liegen, gemeinsam pastorale Angebote planen und umsetzen können. Oft pendeln deren Pfarreimitglieder sowieso schon pfarreiübergreifend zu Gottesdiensten in die Nachbargemeinde oder suchen sich den Ort, wo sie sich wohlfühlen und wo sie die ihnen entsprechenden Angebote finden. In der Regel handelt es sich dabei eben um städtische Pfarreien. Hier macht ein gemeinsamer Pfarrgemeinderat durchaus Sinn. Weniger ideal ist die Situation, wenn kleinere ländliche Pfarreien und städtische Pfarreien in einem gemeinsamen Gremium zusammenarbeiten sollen. Die kleinen Pfarrgemeinden bleiben dort oft unterrepräsentiert und können sich deshalb mit ihren anders gearteten Bedürfnissen, Strukturen und Traditionen nicht so behaupten, wie es wünschenswert wäre. 

Es ist deshalb gut zu überlegen, ob ein gemeinsamer Pfarrgemeinderat eingerichtet werden soll oder ob man den Menschen vor Ort nicht doch durch Einzelpfarrgemeinderäte gerechter wird. Das ist eine sehr individuelle Entscheidung, die von vielen Faktoren abhängt, einen längeren Beratungsprozess voraussetzt und letztendlich einer Genehmigung bedarf.

Wegen der Corona-Pandemie mussten viele Versammlungen und Veranstaltungen online stattfinden. Wie haben die Pfarrgemeinderäte diese Umstände gemeistert?

Um es kurz zu sagen: erstaunlich gut! Natürlich gab es zu Beginn der Pandemie eine Phase, die man fast „Schockstarre“ nennen könnte. Niemand von uns hatte zuvor eine solche Situation des allgemeinen Lockdowns und der sich ständig verschärfenden und verändernden Infektionsschutzverordnungen erlebt. Das hat zunächst verängstigt und verunsichert. Aber überall dort, wo Haupt- und Ehrenamtliche den absoluten Willen hatten, jetzt erst recht nicht in ihren Bemühungen nachzulassen und weiterhin – trotz aller Einschränkungen – bei den Menschen und für sie da zu sein, entstanden wunderbare kreative Ideen und Möglichkeiten, sich online zu treffen, miteinander zu beten, Veranstaltungen zu organisieren und durchzuführen. 

Unsere Vollversammlung im Frühsommer des vergangenen Jahres hat sich mit dem Thema „Kirche im Lockdown“ beschäftigt und es zeigte sich auf beeindruckende Weise, dass vielerorts gerade junge Menschen die Initiative ergriffen, neue Wege beschritten und alte Strukturen aufgebrochen haben. Viele Dinge sind dadurch entstanden, die sicherlich auch nach Corona nicht mehr aufgegeben werden, sondern Bestand haben werden.

 

Welche Themen sind derzeit in den Pfarrgemeinderäten besonders dringlich?

Da hat jede Pfarrei sicher ihre eigenen Überlegungen, was ansteht und bedacht werden muss. Ein Thema, das uns alle aber, ganz besonders nach der langen Corona-Zeit, beschäftigen muss, ist die Frage, wie wir wieder mehr Menschen ansprechen können. Viele Kirchenbesucher haben sich aus Vorsicht oder aus anderen Gründen während der Pandemie zurückgezogen und wir stellen fest, dass sie, auch als Gottesdienste im vorigen Herbst wieder relativ unproblematisch besucht werden konnten, nicht zurückgekommen sind. Hier braucht es ein grundsätzliches Umdenken. Wir können uns nicht auf den Standpunkt stellen, dass wir das mit Bedauern hinnehmen müssen, sondern sollten vielmehr überlegen, wie wir zu den Menschen gehen können, welche veränderten Bedürfnisse sie haben, welche anderen Formen der Pastoral wir schaffen können, auch in kleineren und individuell auf bestimmte Personengruppen zugeschnittenen Formaten, so dass wir die momentan vielleicht ernüchternde Situation als Chance begreifen, etwas Neues zu schaffen. Corona mit all seinen Auswirkungen wirkt da wie ein Beschleunigungskatalysator. Er zeigt uns eine bereits vor der Pandemie begonnene Entwicklung wie in einem Brennglas und zwingt uns, darauf jetzt auch zu reagieren.

Das diesjährige Motto der Wahl lautet „Christ sein. Weit denken.Mutig handeln.“ – wie soll es umgesetzt werden?

Vielleicht ist das ganz einfach und doch manchmal so schwer im Alltag umzusetzen, nämlich, indem wir zeigen, was Christsein bedeutet. Nicht den Kopf einziehen und verschämt schweigen, wenn es um den Glauben geht, sondern mit Freude die Botschaft Jesu Christi durch Worte und Taten zu den Menschen bringen. Nicht engstirnig und ängstlich sein, sondern weit denken, aus einem klaren Standpunkt heraus Anderes und Neues zulassen, Perspektiven entwickeln und im Dialog bleiben. Und schließlich: mutig handeln, beherzt die Initiative ergreifen, mitgestalten und mit anpacken, loslassen, was nicht mehr trägt und sich überholt hat, zuhören und dann spüren dürfen, wie bereichernd es ist, gemeinsam auf dem Weg zu sein. 

Interview: Barbara Lang

30.01.2022 - Bistum Augsburg , Kirche , Pfarreien