Internationale Glaubenskonferenz

Rockkonzert und Farbenlehre

Selten füllt ein christliches Glaubensfest riesige Veranstaltungshallen. Die Mehr-Konferenz des Gebetshauses in Augsburg ist da eine Ausnahme: 12 000 Christen aus dem deutschsprachigen Raum, aber auch aus vielen weiteren europäischen Ländern feierten vom 3. bis zum 6. Januar in den ausverkauften Messehallen gemeinsam Gottesdienst, hörten Vorträge über den Glauben und waren Teil eines vielstimmigen Konzerts zum Lob Gottes.

Als einen, der mit seiner Musik „Jesus groß machen“ will, stellt der Moderator am Samstag um zwanzig vor acht auf der Bühne im Mehr-Auditorium den Besuchern dieser mittlerweile zwölften Augsburger Glaubenskonferenz den nächsten Künstler des Abends vor. Jeremy Riddle ist als christlicher Liedermacher aus den USA bekannt, seine Songs werden heute weltweit gesungen. Als er mit seiner E-Gitarre die Bühne betritt und im gleichen Moment sein Bild, von den Kameras eingefangen, auf den vier Großbildleinwänden in der 8000 Quadratmeter großen Halle erscheint, werden Jubelrufe laut. Vor allem viele jüngere Teilnehmerinnen scheinen diesen Augenblick mit Begeisterung erwartet zu haben. Aber auch die Älteren hält es längst nicht mehr auf ihren Stühlen. 

Riddle, der nicht nur für seine Musik, sondern sicher auch für sein gutes Aussehen Bewunderung erhält, beginnt nicht gleich zu spielen. Mit erhobenen Händen stellt er sich vor sein Publikum und betet. „Danke, Herr, für die Einheit in diesem Raum.“ Dann, noch beim ersten Lied, wird es schnell sehr laut in der Halle. Beim Refrain „We welcome you with praise, almighty god of love“ reißen fast alle im Saal die Arme hoch. Das ist der Moment, in dem diese Konferenz am ehesten einem Rock-Konzert ähnelt.   

Begeisterung und Stille

Doch nur wenige Augenblicke später verstummt das Schlagzeug und ein ruhiger Grundton versetzt den Saal in eine Stimmung von Andacht. Es ist, als würden sie auf die leise Stimme dieses Gottes lauschen, den sie mit ihrem Lied gerade noch in hohen Tönen begrüßt haben. Die Begeisterungsstürme, aber auch die Stille gelten hier einem Star, wegen dem hier offenbar alle nach Augsburg gekommen sind: die Jugendlichen, die Älteren, und auch die Kinder. Und dieser Star heißt Jesus.

„Colors of Hope“ lautet das Leitwort dieser Konferenz, Farben der Hoffnung. Der Theologe Johannes Hartl, Leiter der Augsburger Initiative Gebetshaus, erklärt: „Wir glauben, dass dort, wo Menschen sich selber als von Gott geliebt erleben und aus dieser Liebe heraus die Welt gestalten, ein Hoffnungspotential in unsere Gesellschaft hinein frei wird.“

Viele Farben erleben auch die Zuhörer und Zuschauer im Auditorium. Dafür sorgt ein höchst aufwändiges Licht- und Bühnendesign, in das 140 Quadratmeter LED-Fläche und 800 Lampen verbaut sind. Der unbedarfte Betrachter wird alle paar Minuten mit neuen Farbeffekten und -Kombinationen und Lichteinstellungen überrascht. Die Vorträge, die vor dieser Kulisse stattfinden, sind ein bisschen wie Unterricht bei einem Künstler, der mit der Theorie gleich die Anschauung mitliefert. Auch ein Tafelbild gibt es dazu, samt Skript und Literaturliste. Hartl spricht über Schönheit, Sinn und Verbundenheit. Er spricht über den Weg des Volkes Gottes aus der Sklaverei und macht Mut zu einem Aufbruch in die Freiheit von Fesseln wie Bequemlichkeit, Angst und Erwartungen.

Täglicher Gottesdienst

Neben Hartl gehören zu den Referenten der Schweizer freikirchliche Pfarrer Matthias Kuhn, der Autor und Schauspieler Samuel Koch, der messianisch-jüdische Pastor Asher Intrater und die Poetry-Künstlerin Jana Highholder. Doch auch Gottesdienst wird hier täglich gefeiert. Am Sonntag und am Fest der Heiligen Drei Könige stehen den katholischen Messen der Augsburger Weihbischof Florian Wörner und Kurienkardinal Kurt Koch als Hauptzelebranten vor. Auch eine evangelische Abendmahlsfeier war da schon Teil des Hauptprogramms.

Der Ökumene-Verantwortliche des Vatikan nimmt auch an einem Veranstaltungsformat teil, das in diesem Jahr zum ersten Mal auf dem Programm steht: unter dem Titel „Mehr-Theologie“, organisiert durch das Institut für ökumenische Studien an der Universität Fribourg in der Schweiz als Mitveranstalter, treffen sich einen Nachmittag lang Theologen beider Konfessionen, um in Vorträgen und Diskussionsrunden nach einem Brückenschlag zwischen gelebtem Glauben und theologischer Reflexion zu suchen. 

Die Teilnehmer, die am Montag Mittag nach Abschlussvortrag und letztem Lied an den Essensständen noch für einen Hotdog oder Kaffee anstehen, wirken alle ein wenig erschöpft, aber beseelt. An Impulsen, im neuen Jahr ihren Glauben im Alltag umzusetzen, fehlt es Ihnen sicher nicht.

Ulrich Schwab