Kunsthandwerk

Mit viel Liebe zum Detail

GENDERKINGEN – Sieglinde Schmid-Hartmuth aus Genderkingen (Kreis Donau-Ries) fertigt Unikate von Krippenfiguren und bekleidet sie. Die Rohlinge aus Holz, die sortiert auf ihrem Tisch liegen, wirken zunächst wie ganz normale Ersatzteile für Puppen. Nichts deutet darauf hin, dass sich die Gliedmaßen später einmal zu Maria, Josef, Hirten und dem Jesuskind zusammenfügen. 

Wer jedoch die Mimik der handgeschnitzten Exponate aus Südtirol näher betrachtet, erkennt, dass sie jede Menge Potenzial für eine kreative Schneiderin bergen. „Ich lebe mich in die Figur ein, die ich darstellen werde“, erklärt Sieglinde Schmid-Hartmuth.

Als seien es die Segmente von Marionetten, so reihen sich Köpfe, Arme, Beine und Rümpfe aneinander. Diese verbindet die Kunsthandwerkerin mit einem Kupferdraht, den sie festklebt. Anschließend wickelt sie ein elastisches Stoffband darum, bis es wie ein gebundener Körper aussieht. Dieser erste Arbeitsschritt ist noch leicht. „Nun jedoch hauche ich meinen Figuren Leben ein“, betont Sieglinde Schmid-Hartmuth mit einem Lächeln.

Die Grundlage dafür, dass die Puppen später naturgetreu aussehen, bilden 500 Stoffsorten, die die Schneiderin in ihrem Atelier lagert. „Ich nähe alles per Hand“, sagt sie und zeigt ihr Nadelsortiment. Die Nähmaschine hinterlasse eine zu harte Naht, die sich hernach nicht filigran biegen lasse. Allein die Schuhe einer nur 14 Zentimeter großen Gestalt lassen erahnen, wie viel Gefühl es braucht, diese mit einer goldenen Borte zu verzieren. Gerade diese Details schaffen individuelle Ausdrucksweisen, die die Kunden loben.

„Ändern Sie ja nicht Ihren Stil“, forderte kürzlich jemand. Der sei natürlich und lebendig. Der 58-Jährigen Schneiderin gelingt dieses Kunststück, indem sie den Stoff so stärkt, dass dessen Struktur erhalten bleibt. Dafür brauche es vor allem drei Voraussetzungen: „Fingerspitzengefühl, Geduld und einen guten Optiker.“

 Wie sehr die Kunden ihre Arbeit schätzen, bestätigte jemand aus dem Saarland, der etwa 20 Unikate bei ihr kaufte. Er stelle jeden Abend eine andere Figur neben sein Bett, um sie zu betrachten, bis er einschlafe.

Immer neue Ideen 

Schon Sieglinde Schmid-Hartmuths Eltern und Großeltern hatten dieses Talent. Da war es kein Wunder, dass sie bereits als Kind Handarbeit in allen Variationen liebte. 1992 renovierte sie in Dinkelscherben 100 Krippenfiguren. Sie entwickelte sich zur Künstlerin und gab ihren Beruf als kaufmännische Angestellte auf, um sich ganz ihrer Leidenschaft zu widmen. Sie habe mehr Zeit gebraucht, denn „pausenlos fallen mir neue Haltungen und neue Schnitte ein, die ich verwirklichen möchte“. 

Sie schmunzelt, weil neulich jemand sie als gute Fee bezeichnete, die ihre Figuren zum Leben erwecke. Parallelen zu Pinocchio, der lebendig gewordenen Marionette, gebe es tatsächlich. „Sehen Sie diesen müden Mann“, sagt sie und deutet auf eine Figur, die in der Ecke einer Krippe sitzt. 

Es ist keine Fantasie erforderlich, um sich vorzustellen, dass dem Mann gleich die Augen zufallen. Daneben strahlt Maria, die das Jesuskind im Arm hält, als wolle sie die ganze Welt an ihrer Freude teilhaben lassen. 

Die Einzelteile für ihre Figuren kauft Sieglinde Schmid-Hartmuth in Südtirol. Sie baut auch Krippen in verschiedenen Ausführungen. Ein besonderes Exponat in ihrem Ausstellungsraum ist das letzte Abendmahl, bei dem die Figuren wie die Jünger in Leonardo Da Vincis Gemälde gekleidet sind. 

Mit ihren Krippen trägt die Künstlerin die Frohe Botschaft hinaus in die Welt. Ihr wichtigstes Anliegen ist es, „durch meine Figuren Nächstenliebe zu verbreiten“.

Jürgen Ziegelmeir