Spannendes zum Bobinger Pfarrheim

Ein besonderes Bauwerk

BOBINGEN – Was haben der Augsburger Hauptbahnhof und die Lindauer Hafeneinfahrt samt Leuchtturm sowie Bayerischem  Löwen mit dem Pfarrheim St. Felizitas gemeinsam? Es ist der Architekt. Das hat der Heimatforscher Franz Xaver Holzhauser herausgefunden.

Das Pfarrheim St. Felizitas setzt mit der gegenüberliegenden Stadtpfarrkirche und dem historischen Kirchbräu-Gebäude einen Akzent im Zentrum der Singoldstadt. Mit seiner roséfarbenen Fassade, dem weißen Giebelfries und den Rundbogenfenstern ist es nicht zu übersehen. 

Musiker, Kulturpreisträger und Heimatforscher Holzhauser, der vor etwa 30 Jahren das Pfarrarchiv einrichtete, hat sich erneut mit dem Bauwerk beschäftigt und Interessantes herausgefunden. Etwa, dass der Architekt ein sehr bedeutender und vom König hochgeehrter bayerischer Baumeister war: Joseph Maria Eduard Pascal Rüber (1804 bis 1874). Er wuchs in Augsburg auf und studierte Architektur bei Friedrich Wilhelm von Gärtner, dem Hofbaumeister von König Ludwig I, der mit seinen Prachtbauten München prägte. 

Gärtners historistischer Stil, der sich an der Romanik, aber vor allem an der italienischen Frührenaissance orientierte, beeinflusste den jungen Rüber. Nach dem Studium in München lebte er ab 1830 wieder in Augsburg, machte rasch Karriere und stieg zum Zivilbauinspektor bei der Regierung von Schwaben und Neuburg zu Augsburg auf.

Wohl aufgrund seiner Position und seiner räumliche Nähe zu Bobingen untersuchte er 1835 das um 1540 als Schlösschen errichtete und später als Pfarrhaus genutzte Gebäude. Er befand es als zu marode für eine Sanierung und plädierte für einen Neubau. 

Am 22. Februar 1836 erhielt er den Auftrag, binnen vier Wochen einen Plan zu erstellen und als Bauleiter zu fungieren. Rüber entwarf ein eher schlichtes Gebäude mit Satteldach, das aber dennoch elegant und ungewöhnlich wirkt. Den Spitzgiebel umläuft ein Fries, das das Rundbogenmotiv des Kirchturms aufnahm und von einem Hohlkehlengesims umfasst wurde. Rundbögen charakterisieren auch die Form der Fenster, die die dreiachsige Fassade auf zwei Stockwerken gliedern. Ein Gurtgesims unter den Fenstern des ersten Stockwerkes setzt einen weiteren gestalterischen Akzent. In der Spitze des Giebels befand sich ein Kreuz und auf der Rückseite ein Göpel-Aufzug zum Kornboden im Dachgeschoss. 

Der Entwurf fand das Wohlwollen der königlichen Baubehörde. Aber in Bobingen kamen Bedenken auf, fand Holzhauser heraus: „Der Entwurf erschien der Kirchenverwaltung wohl etwas zu städtisch“, sagt er und berichtet, dass der damalige Pfarrer Franz Xaver Ebentheuer sich 1837 mit einem Gesuch an den König wandte, nach dem die vorgesehenen Rundbogenfenster durch viereckige ersetzt werden sollten, weil sie erhöhte Bau- und später Heizkosten nach sich zögen. Der Winter sei in Bobingen lang und kalt, das Holz teuer, klagte er. Aber der König ließ anordnen, „dass eine Abweichung von dem allerhöchst genehmigten Entwurfe“ nicht stattfinden dürfe.

So wurde der Bau in den Jahren 1838 bis 1840 errichtet. Außerdem konnte sich die Kirchenverwaltung über etwas freuen: Die Baukosten fielen mit 5585 Gulden und acht Kreuzern niedriger aus als die veranschlagten 5700 Gulden und 32 Kreuzer.

In die Zeit bis 1840 fallen mit dem Krankenhaus Weissenhorn, der Evangelischen Johanniskirche in Langerringen und der Synagoge in Binswangen weitere Bauten Rübers, die heute wegen ihrer Bedeutung unter Denkmalschutz stehen. Ab 1842 war er als Architekt bei der Eisenbahn-Kommission in Nürnberg und mit dem Projektieren zahlreicher Bahnhöfe und der dazugehörigen Hochbauten in Bayern befasst – etwa in Nürnberg, Bamberg, Erlangen, Fürth oder Rosenheim. Damit ist Rüber, wenn auch namentlich wenig bekannt, im südlichen Deutschland auch heute noch ein vielerorts präsenter Baumeister.

Die Geschichte des Bobinger Pfarrhauses ist damit noch nicht zu Ende. Vor der drohenden Abrisswut der 1960er Jahre wurde es von Pfarrer Konrad Lachenmayr zwar gerettet, erfuhr aber durch den Umbau zum Pfarrheim in den 1970er Jahren eine optische Veränderung, stellt Heimatforscher Holzhauser bedauernd fest: „Das Kreuz im Westgiebel verschwand, ebenso das Gurtgesims unter den Fenstern, und die Friesbögen sind jetzt weiter und abgeflachter.“

Bei seinen Forschungen zum Pfarrheim stieß Holzhauser auch auf die Geschwister Koch, drei in München lebende Nachfahren des Architekten. Sie waren überrascht und erfreut, ein weiteres Bauwerk ihres Vorfahren zu entdecken.

Ingeborg Anderson