Spurensuche im Stadtarchiv

Stammbaum-Forscher

AUGSBURG – Ungewöhnliche Einblicke gab es im Stadtarchiv Augsburg und beim Bayerischen Landesverein für Familienkunde (BLF) beim Tag der Augsburger Familienforschung. Langjährige Familienforscher und Neulinge informierten sich in Fachvorträgen, Führungen und Arbeitskreisen. 

Über Jahre hinweg haftete der Ahnenforschung der Ruch des Altbackenen und Rückwärtsgewandten an. Die Ursache dafür mag im Missbrauch der Familienforschung für die nationalsozialistische Rassenideologie liegen. Die stellvertretende Archivleiterin Kerstin Lengger bemerkt ein steigendes Interesse an dem Thema: „Derzeit macht die Familienforschung einen großen Teil unserer Arbeit aus.“ 47 bis 50 Prozent der Anfragen kämen aus diesem Bereich. 

Anfängern rät BLF-Vorsitzender Manfred Wegele: „Erst mal zu Hause aufräumen, schauen, was da ist, und Zeitzeugen befragen.“ Der Kontakt zu anderen Ahnenforschern wirke sich sicher hilfreich und motivierend aus, zum Beispiel bei einem der zehn Stammtische im Raum Schwaben. Familienforscher seien kontaktfreudig und vernetzten sich gerne. Hier finde man Unterstützung bei allen Fragen.

Die enge Zusammenarbeit des Stadtarchivs Augsburg und des BLF wurde deutlich. In den Vereinsräumen stellte der BLF Stammbäume und Ahnentafeln aus. Wegele hat seine Ahnentafel für acht Vorfahren-Generationen mit handgeschriebenen Karteizettelchen auf eine lange Papierbahn geklebt. Das Projekt ist auf 511 Personen angelegt. Die Generationen sieben und acht weisen noch Lücken auf. Diese Methode ist eine gute Arbeitsgrundlage, denn fehlende Ahnen können einfach nachgetragen werden. 

Überaus repräsentativ wirken die handgezeichneten und illustrierten Stammbäume von Anna Probst: Unten am Stamm des Baumes steht der Ahnherr, im Geäst sind die Nachkommen eingetragen. Eingerahmt und hinter Glas wird der Stammbaum zu einem beeindruckenden Familienerbstück. 

Sigrid Wunderer hatte gleich mehrere auf großformatigem Papier gedruckte Stammbäume dabei. Der ihres Mannes lag auf dem langen Konferenztisch, ihr eigener fand nirgends Platz, denn er misst zwei mal fünf Meter. Sigrid Wunderer ist seit über 25 Jahren Vereinsmitglied im BLF, doch Ahnenforschung betreibt sie schon seit der Geburt ihrer ersten Tochter 1976. 

Mangels Gelegenheit, in die entsprechenden Archive zu reisen, hatte sie nach 30 Jahren eigener Recherche einen Berufsgenealogen beauftragt. Er rief schon nach einer Woche an und gratulierte ihr, dass sie Vorfahren im oberbergischen Hochadel „von Bernsau“ habe, dadurch verlängerte sich ihre Ahnentafel gleich um zehn Generationen.

Heimatkunde

Die Arbeit des Stadtarchivs wird vom BLF unterstützt, denn die Archivare können sich aus Zeitgründen nicht so intensiv mit den Quellen beschäftigen, wie sie es gerne möchten. Der BLF koordiniert etliche Projekte, an denen sich jeder beteiligen kann: Das Scannen von Sterbebildern und Schülerverzeichnissen, das systematische Fotografieren von Grabsteinen und die Erfassung in Datenbanken sind nur einige Betätigungsfelder. „Familienforschung, Heimatkunde und wissenschaftliche Forschung kommen zusammen, wenn Ortsfamilienbücher, Häuserbücher oder Ortschroniken erstellt werden,“ erklärt Archivoberinspektor Mario Felkl. Durch solche Projekte würden Daten leichter zugänglich gemacht: „Das schont das Original, das schont den Archivar.“

Felkl führte interessierte Besucher durch das Magazin. Hier lagern die Akten aller Augsburger Behörden: Meldebescheinigungen vom Einwohnermeldeamt, die Personalakten früherer städtischer Mitarbeiter und Beamter, Fotos, Plakate, aber auch kunstvolle alte Urkunden und Bücher. 

Anhand der umfangreichen Personalakte des Augsburger Polizisten Benedikt Präg zeigte Felkl, was für ein Schatz an Informationen sich hier verbergen kann. „Er neigte weder zum Trinken noch zu Weibern“, steht zum Beispiel in einer Beurteilung zu lesen, in der dem Beamten ein vorbildliches Verhalten bescheinigt wurde. Ergänzt wird die Akte durch Fotos von Prägs Militärzeit in China aus seinem persönlichen Nachlass, den seine Erben dem Stadtarchiv Augsburg anvertraut haben.

Daniela Hölzle