Wallfahren in der Diözese – Kürzer aber intensiver

Auch in Zeiten der Corona-Pandemie kann man Pilgerwege sinnbringend gehen

AUGSBURG – In diesem Jahr wurden viele traditionelle große Wallfahrten aus bekanntem Grund abgesagt. Auf das Pilgern muss aber nicht verzichtet werden, findet Manfred Riegger, Professor am Lehrstuhl für Religionspä­dagogik und Didaktik des katholischen Religionsunterrichtes an der Universität Augsburg. In dieser Folge stellen wir Beispiele von Wegen vor, die man daheim in kleinen oder größeren Abschnitten gehen kann. In der ersten Folge Grundsätzliches von Manfred Riegger:

Wo sonst ab Mai Wallfahrten nach Andechs, Maria Vesperbild oder anderen regionalen Wallfahrtsorten unterwegs sind, herrscht nun eine fast gespenstische Stille. Wo Pilgerreisen nach Rom, Lourdes, ins Heilige Land und an andere Orte ausgebucht sind, wurden diese storniert und abgesagt. Hat das Coronavirus die jahrhundertealte Wallfahrtstradition zum Erliegen gebracht? Verhindert das Coronavirus Wallfahrten und Pilgern?

Nicht ganz – große Wallfahrten sind nur verschoben, auf die Zeit danach. Oder es müssen strenge Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden. Ich frage mich: Ist das Trost oder Vertröstung? Könnten nicht auch jetzt Tagesabschnitte der vielen Pilgerwege in der Nähe gegangen werden? 

Bisher war dies eher weniger verbreitet. Denn es gilt der Pilgergrundsatz: Wirkliche Pilger haben Gepäck, übernachten mehrmals und sind weit entfernt von daheim.Kann man vielleicht auch nur einen halben Tag pilgern, oder ist das nur ein Spaziergang? Ist Corona das Pilger-Verhinderungsvirus? 

Allein oder in Kleingruppe

Ändern wir einmal die Perspektive: Ergeben sich in dieser Corona-Zeit neue Chancen, neue Gelegenheiten? Aber wofür? Eine Idee verfestigt sich: Je kürzer, umso intensiver. Statt große Gruppen und lange Wege nun einzeln oder in kleinen Gruppen und kürzere Wege. Das geht sicher. Ist der diesjährige Jakobuslauf der DJK-Augsburg ein Vorbild? Dort liefen Einzelpersonen und Gruppen vom 11. bis 27. Juli zusammengezählt 3816 Kilometer.

Sicher kann man auch ohne Addition Abschnitte überregionaler, ausgeschilderter Pilgerwege von Zuhause aus gehen. So begeben wir uns in das Netz der Pilger vor uns. Recherchiert man, findet man viele überregionale und regionale Pilgerwege in unserer Diözese. Also kann man im Schwäbischen „dahoim“ und im Oberbayerischen „dahoam“ und im Fränkischen „dahemm“ auf vielen Wegen pilgern.

Der Jakobuspilgerweg in Bayerisch-Schwaben wurde von der Jakobus-Pilgergemeinschaft Augsburg nach alten Routen rekonstruiert und 2003 ausgeschildert. Die heutige Wegführung vermeidet vielbefahrene Hauptverkehrsstraßen und führt durch Felder und Wälder. Auf dem Weg kann man prächtige Kirchen entdecken, aber auch viele kleine Kapellen und Wegkreuze. Von Norden führt der Weg rund 150 Kilometer vom Ries über die Donau durch das Lechtal bis nach Augsburg und von dort auf zwei unterschiedlichen Routen durch das Allgäu bis nach Lindau. Liegt vielleicht ein Ort in Ihrer Nähe? 

Von Oettingen über Wemding, Harburg, Donauwörth, Kloster Holzen und Biberbach geht es nach Augsburg. Von hier kann man auf dem Ostweg über Bad Wörishofen nach Bad Grönenbach pilgern. Oder man nimmt den Westweg über die Zisterzienserinnenabtei Oberschönenfeld, Maria Vesperbild und Memmingen nach Bad Grönenbach und dann wieder einen Weg über Altusried, Wiggensbach, Buchenberg und Lindenberg nach Lindau. 

Ausführliche Beschreibungen der Route finden Sie unter: www.pilgern-schwaben.de/pilgerwege-in-bayerisch-schwaben/. Ab Oettingen führt ein weiterer Weg über Maihingen, Wallerstein, Nördlingen und Reimlingen nach Neresheim. Von Kaisheim aus kann man nach Harburg oder Donauwörth pilgern. Wie im Norden der Diözese, quert auch im Süden ein Weg, nämlich der aus München kommende, der beispielsweise von Kloster Andechs, Wessobrunn, Kloster Rottenbuch, Lechbruck, Marktoberdorf und Kempten bis nach Lindau führt. Routenbeschreibungen mit Varianten sind zu finden unter: www.wanderzentrale.de/muenchner-jakobsweg/.

29 Kapellen am Weg

Ein weiterer mittelalterlicher Pilgerweg, die Via Romea, führt von Stade kommend durch unsere Diözese nach Rom. Wegmarkierung gibt es unter www.viaromea.de/ausschilderung/. Über Dinkelsbühl, Nördlingen, Donauwörth und Augsburg führt der Weg weiter nach Schongau, Rottenbuch, Bad Saulgrub, Oberammergau nach Garmisch-Partenkirchen (Beschreibungen unter: www.viaromea.de/pilgerweg/schwaben/). Diese beiden großen Pilgerwege werden um viele kleinere ergänzt: den Crescentiaweg um Kaufbeuren, den Stauden-Meditations-Weg, die Oberstaufener Kapellenwege mit 29 Kirchen und Kapellen und viele andere mehr.

Liegt ein Weg in Ihrer Nähe, den Sie gehen können? Falls nicht, gibt es traditionell noch viele nicht ausgeschilderte Gemeindewallfahrten, die in gewöhnlichen Zeiten mindestens einmal pro Jahr von vielen Pfarreien gegangen werden. Auch diese eignen sich dazu, dass Gläubige allein oder in kleinen Gruppen dort pilgern. Sind unsere Kirchen Leuchttürme des Glaubens, so sind die sie verbindenden Pilgerwege für unseren Glauben so etwas wie die Nervenbahnen unseres Körpers. Beleben wir dieses Nervensystem des Glaubens mit unserem Pilgern! Manfred Riegger

20.08.2020 - Bistum Augsburg , Pilgerreise