Leiter der Dombauhütte Regensburg

Tägliche Herausforderung

REGENSBURG – Wenn Matthias Baumüller aus dem Fenster der Werkstatt schaut, dann hat er den Gegenstand seiner Tätigkeit, seiner Leidenschaft, das Ziel seiner Arbeit und die Herausforderung seines Arbeitslebens direkt vor sich. Majestätisch erhebt sich der Hohe Dom St. Peter neben der staatlichen Dombauhütte Regensburg, die Matthias Baumüller seit März 2020 als Leiter führt. 

Der Anspruch, dieses Bauwerk, das Baumüller ein „Spiegelbild der Jahrhunderte“ nennt, zu erhalten, ist groß und fesselnd. Sein Vorgänger als Leiter der Dombauhütte, Helmut Stuhlfelder, der 49 Jahre lang in der Dombauhütte arbeitete und diese 34 Jahre leitete, war mit dem Dom verwachsen, soweit man dies von einem steinernen Bauwerk überhaupt sagen kann. 

Im Besitz des Freistaats

Matthias Baumüller hat mittlerweile auch schon mehr als 20 Jahre Arbeit im Schatten des Regensburger Doms hinter sich. 1998 begann er seine Arbeit an der Dombauhütte Regensburg, ab 2001 war er Polier (Vorarbeiter) der Hütte. Im Jahr 2013 legte er die Meisterprüfung als Steinmetz und Steinbildhauer ab, seit einem Jahr ist er nun der Leiter der Dombauhütte.

Baumüller klärt auf, wieso es in Regensburg nicht Dombaumeister heißt, sondern Leiter der Dombauhütte: Der Hohe Dom St. Peter gehört dem Freistaat Bayern und die Dombauhütte ist eine staatliche Einrichtung, die einen Leiter hat. Angesichts der langen Zeiträume, in denen in Zusammenhang mit dem Dom gedacht werden muss, ist Matthias Baumüller praktisch neu in der Leitung der Dombauhütte.

Neu ist auch, dass die Dombauhütten in Deutschland nun zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO zählen. „Die Aufnahme des Bauhüttenwesens in die Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO ist eine große Wertschätzung unserer Arbeit. Es ist eine Bestätigung für uns, die zeigt, dass unsere Art und Weise der Arbeiten, die Verbindung von Tradition und Kontinuität, modernen Techniken, Forschung und Archivierung der richtige und zukunftsfähige Weg zur Erhaltung des Regensburger Doms ist und eine wichtige Plattform für uns, die Notwendigkeit der Bauhütten der Öffentlichkeit zu vermitteln“, sagt Baumüller.

Glücklicher „Zufall“

Dass Baumüller (52) Steinmetz geworden ist, bezeichnet er als „Zufall“. Er habe zwar schon seit jeher Interesse für Handwerk und Gestalten gehabt, doch das Erste, das ihm einfiel, als er seinerzeit darüber nachdachte, was es für krea­tive Handwerksberufe gebe, war der Beruf und das Handwerk des Stein­metzen und des Steinbildhauers. „Nach einem eigentlich nur informativen Besuch der Dombauhütte Bamberg habe ich drei Tage später dort meine Lehre begonnen“, erzählt Baumüller, der in Nürnberg geboren und in Fürth aufgewachsen ist. Das war 1991. 

Ab 1994 verbrachte er bis 1998 Gesellenjahre an der Dombauhütte Passau, seit 1998 arbeitet er am Regensburger Dom. Das Material und das Umfeld der Bauwerke hätten ihn einfach nicht mehr losgelassen, erzählt Baumüller: „Der Umgang mit dem Material Naturstein ist herausfordernd, der Dom als Spiegelbild der Jahrhunderte faszinierend.“ Doch wie kam es, dass es ihn nach Regensburg verschlug? Die Dombauhütten seien untereinander gut vernetzt, erklärt Baumüller. „Als ich erfahren habe, dass in Regensburg eine Stelle frei wird, habe ich die Chance ergriffen, an den Arbeiten an einem einzigartigen Bauwerk mitwirken zu können.“

Einzigartige Verbindung

Die Arbeit am Dom sei täglich eine neue Herausforderung, und auch nach 20 Jahren biete der Dom ständig Neues, Ungesehenes, oft auch Überraschendes. „Für mich, und das gilt auf die eine oder andere Art und Weise wohl für die ganze Belegschaft der Dombauhütte, ist der Dom meist ein ganzes Arbeitsleben lang der ständige Begleiter. Dadurch ergibt sich eine einzigartige, schwer beschreibbare Verbindung zum Dom, der weit mehr als nur Bauwerk oder Arbeitsstätte ist“, beschreibt Baumüller seine Beziehung zu seiner beruflichen Lebensaufgabe.

Wenn man mit Matthias Baumüller in der Dombauhütte umhergeht, fallen die Werkzeuge auf, mit denen der Stein bearbeitet wird, der später den Dom zieren oder stabilisieren soll. Es seien noch immer die gleichen Werkzeuge, mit denen die Handwerker seinerzeit, als der Dom erbaut worden war, die Steine behauen und bearbeitet hätten. In der Dombauhütte gibt es sogar eine eigene Schmiede, in der diese Werkzeuge, die es sonst nicht mehr zu kaufen gibt, vor Ort selbst hergestellt werden. 

Die Dombauhütte Regensburg ist derzeit mit 16 Mitarbeitern besetzt: der Hüttenmeister, zwölf Steinmetzgesellen, eine Steinmetzgesellin, ein Lehrling und ein Bauhelfer sowie eine Jahrespraktikantin. „Alle Mitarbeiter sind für alle benötigten Arbeiten am Dom, neben der Steinarbeit zum Beispiel für den Gerüstbau oder das Schmieden der Werkzeuge, bestens geschult und haben teilweise Meistertitel und Ausbildung zu Stein­restauratoren“, sagt Baumüller.

Corona erschwert Arbeit

Im Fokus stehen derzeit die Arbeiten am Südturm. „Aufgrund unglücklicher Materialauswahl in diesem Bereich bei Sanierungsarbeiten um 1900 zeigen sich derzeit zunehmend Schäden, welche umgehend ein Handeln erfordern. Diese Arbeiten werden die nächsten Jahre bestimmen, daneben geht aber auch der ,reguläre‘ Bauunterhalt weiter“, erklärt der Leiter der Dombauhütte. Natürlich geht die Corona-­Pandemie auch in diesem Bereich nicht unbemerkt vorüber. Baumüller erzählt, dass Corona auch hier großen Einfluss habe und die Arbeiten am Dom erschwere und behindere. „Durch gestaffelte Arbeitszeit und Aufteilung der Arbeitsplätze in der Hütte und auf den Gerüsten wird eine möglichst große räumliche Trennung der Belegschaft mit Erfolg durchgeführt“, versichert Matthias Baumüller.

Angelika Lukesch

03.03.2021 - Bistum Regensburg