In der Debatte um die MHG-Studie verteidigt Bischof Rudolf Voderholzer den Zölibat

Lebensform nach Christi Vorbild

REGENSBURG (pdr/sm) – Im Rahmen des Pontifikalamtes zum Hochfest des heiligen Wolfgang hat Bischof Rudolf Voderholzer Stellung zur öffentliche Debatte um die MHG-Studie über den sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen von Klerikern in der Kirche genommen, vor allem aber zu den Konsequenzen, die nach Meinung bestimmter Kommentatoren daraus gezogen werden sollten.

Die Stimmen mehrten sich, so Bischof Voderholzer, die Teilen der MHG-Studie erhebliche Schwächen nachweisen. Insbesondere werde die Schlussfolgerung kritisch gesehen, dass angeblich die zölibatäre Lebensform der Priester und die Haltung der katholischen Kirche zur Homosexualität mitursächlich für den sexuellen Missbrauch seien. Man gewinne den Eindruck, nicht wenigen Interessierten komme diese Schlussfolgerung gerade recht, um lange ersehnte kirchenpolitische Ziele zu verfolgen. Es sei auch kaum mehr von den Opfern und einer Verbesserung der Prävention die Rede, sondern von grundstürzenden Veränderungen in der Kirche und der Gestalt des geistlichen Dienstamtes, erklärte Bischof Rudolf.

Missbrauch der Opfer

„Ich halte das für einen Missbrauch des Missbrauchs, insbesondere für einen Missbrauch der Opfer des Missbrauchs. Wenn der Zölibat ursächlich wäre für diese Verbrechen, wie erklärt es sich dann, dass 99,9 Prozent dieser Fälle von nicht zölibatär lebenden Männern getan werden? Die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen ist die Lebensform Jesu und der Apostel, sie stand in der Kirche von Anfang an wegen ihres Zeugnischarakters in hohem Ansehen und wurde vom Mönchtum, aber auch von Bischöfen und Priestern gelebt, lange bevor sie dann für den Bereich der Westkirche im Mittelalter verbindlich vorgeschrieben wurde. Zu behaupten, der Zölibat sei im Mittelalter ausschließlich aus ökonomischen Gründen eingeführt worden, entbehrt jeder historischen Vernunft“, stellte Bischof Voderholzer klar. 

Kriterium der Berufung

Jeder Priesteramtskandidat wisse, so Voderholzer, dass die Kirche die freiwillige Annahme dieser Lebensform als Berufung zur Christusnachfolge zum Kriterium der Berufung in den geistlichen Dienst gemacht habe. Jeder Weihekandidat bekunde ausdrücklich diese Freiwilligkeit. Dass diese Lebensform in einer übersexualisierten Gesellschaft ein Skandalon darstelle, angefochten, verlacht und bespuckt werde, sei noch lange kein Grund, von dieser biblisch begründeten Tradition abzugehen: „Vielleicht war sie noch nie so wichtig wie heute“, gab der Bischof zu bedenken. 

Notwendig sei selbstverständlich eine gute Vorbereitung der Priesteramtskandidaten und eine gute Begleitung der Priester, damit diese Lebensform gut gelebt werden und ihren Zeugnischarakter auch bewahren könne, betonte Bischof Voderholzer: „Unsere Priesterausbildung berücksichtigt sehr wohl die psychologischen und menschlichen Gesichtspunkte, die notwendig sind für eine reife Persönlichkeit. Ich lege dafür meine Hand ins Feuer. Und ich möchte auch an dieser Stelle der überwältigenden Mehrheit der Priester mein Vertrauen aussprechen, die ihren Dienst eifrig und gewissenhaft tun, die unbescholten waren und sind.“

Ungeheuerliches Ansinnen

Der Bischof ging auch auf eine Gruppe von Professoren ein, die im Zusammenhang mit der MHG-Studie bei mehreren Staatsanwaltschaften in Deutschland Anzeige gegen unbekannt gestellt hat. Die Gruppe, die der humanistischen Giordano-Bruno Stiftung nahesteht, vermutet nach Lektüre der Studie, dass in den Akten der deutschen Diözesen zahlreiche Fälle von sexuellem Missbrauch noch nicht angezeigt worden seien. Grundsätzlich, so der Bischof, begrüße er jede Initiative, die solche Hinweise aufklären und ahnden hilft und die Betroffenen bei der Bewältigung des erlebten Unrechts unterstützt. „Wir sind daher auch in Kontakt mit der Regensburger Staatsanwaltschaft und werden offene Fragen bald und umfassend klären. Wir haben hier nichts zu verbergen oder gar zu vertuschen und werden eng mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten, selbstverständlich im Rahmen des geltenden Rechts, der entsprechenden Leitlinien der Bischofskonferenz und der staatlichen und kirchlichen Datenschutzvorschriften“, erklärte Bischof Voderholzer. 

Er verwies auf das sehr strenge Datenschutzgesetz in Deutschland. Dieses Datenschutzrecht sei gut. Gleichzeitig werde von bestimmter Seite die Forderung erhoben, die Personalakten aller Priester, also einen Datenbestand von höchster Sensibilität, der Öffentlichkeit preiszugeben: „Dieses Ansinnen ist ungeheuerlich. Die Priester genießen denselben Datenschutz wie alle anderen Menschen auch. Niemand käme doch auf die Idee, den Staat aufzufordern, alle Personalakten der Lehrer offen zu legen, weil es auch in Schulen zu Fällen sexuellen Missbrauchs kommt. Wenn ein begründeter Anfangsverdacht besteht, dann hat die Staatsanwaltschaft das Recht auf Akteneinsicht und die Pflicht zur Aufklärung“, so der Regensburger Oberhirte. 

Nicht verdient

Und der Bischof weiter: „Aber diesen Generalverdacht, der sich hier breit macht, weise ich auf das Entschiedenste zurück. Das haben die Priester nicht verdient. Und das hat die katholische Kirche nicht verdient. Die katholische Kirche ist die erste und einzige Institution der Zivilgesellschaft in Deutschland, die sich in so umfassender Weise diesem Problem stellt. Ich kann nicht dazu schweigen, dass nun der Eindruck im Raum stehen bleibt, wir seien die einzige Institution, die dieses Problem hat. Ja, wir haben gelernt, dass die Opferperspektive absoluten Vorrang hat vor jeder Rücksichtnahme auf die Institution oder die Täter. Aber sind denn die vielen Opfer in den anderen Bereichen der Gesellschaft weniger wert oder bedeutsam?“, so Bischof Voderholzer abschließend.