Geistliches Wort bei der Vesper zur Eröffnung der Ulrichswoche 2020 von Bischof Bertram Meier

Willkommen im Club der Gemeinschaft der Heiligen

Willkommen im Club! Der Club heißt Communio Sanctorum: ein besonderer Club besonderer Heiliger. Denn auch wir sind dabei!

Stellen Sie sich vor, ich würde einen Hirtenbrief schreiben und ihn so beginnen: „An die Geheiligten in Jesus Christus, berufen als Heilige zu leben, die den Namen Jesu Christi, unseres Herrn, überall anrufen, bei ihnen und bei uns“ (vgl. 1 Kor 1,2). Was würden Sie dabei denken? Ist Bischof Bertram jetzt schon ganz abgehoben? So kennen wir ihn eigentlich nicht. Oder sieht er sich in den Fußstapfen des hl. Paulus? Das schon eher!

Denn in der Tat hat Paulus sich nicht gescheut, die Mitglieder der ersten Christengemeinden als Heilige zu betiteln. Die Epheser schreibt er an als „Paulus, durch den Willen Gottes Apostel Jesu Christi, an die Heiligen in Ephesus, die an Jesus Christus glauben“ (Eph 1,1). Der unermüdliche Reisende in Sachen Christus weiß sehr wohl, dass die Adressaten seiner Briefe nicht unbedingt Heilige zum Vorzeigen waren. Ganz zu schweigen, ob sie einen Heiligsprechungsprozess nach unseren Maßstäben bestanden hätten. Die Urkirchenromantik kannte ja durchaus dramatische Züge. Die biblische Forschung weiß, dass in der oft idealisierten Urgemeinde nicht alles Gold war, was glänzte. Dafür sind die Verflochtenheit in vorchristliche Lebensstile, die Versuchung durch heidnische Götzen, der Druck der römischen Besatzungsmacht, aber auch ganz menschliche Spannungen und Konflikte ebenso wie die Sündhaftigkeit und die mangelnde innere Stabilität der Christen verantwortlich. Trotzdem spricht Paulus von der Gemeinschaft der Heiligen: eine Formulierung, die seit dem Beginn des 5. Jahrhunderts in die Endfassung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses eingegangen ist.

„Ich glaube (an) die Gemeinschaft der Heiligen.“ Wenn wir uns zur Gemeinschaft der Heiligen bekennen, sind damit nicht nur die von der Kirche mit Brief und Siegel bestätigten Heiligen gemeint – der hl. Ulrich war der erste in der Kirchengeschichte, dem ein solches kanonisches Verfahren zu Teil wurde, sondern das ganze Volk Gottes, die einzelnen Kirchen und Gemeinschaften. Deshalb wäre es zwar ungewohnt, aber durchaus angebracht, wenn ich einmal einen Hirtenbrief an „die Geheiligten in Jesus Christus“ adressierte, die „berufen sind, als Heilige zu leben“. Mit Taufe und Firmung ist der Startschuss gegeben für unseren Weg zur Heiligkeit. Jede Lebensform, die der Schöpfungsordnung Gottes entspricht, ist Berufung. In jeder Lebensform können wir heilig werden. 

Der altkirchliche Schriftsteller Niketas von Remesiana (ca. 350-414) bindet diese Gedanken treffend zusammen: „Was ist die Kirche anders als die Versammlung von Heiligen? Seit dem Anfang der Welt bilden die Kirche Patriarchen, Propheten, Märtyrer und alle anderen Gerechten, die gelebt haben oder jetzt oder in Zukunft leben werden, da sie durch einen Glauben und eine Lebensführung geheiligt und durch einen Geist besiegelt und so zu einem Körper gemacht worden sind, als dessen Haupt Christus erklärt ist, wie die Schrift sagt. Außerdem sind die Engel und die himmlischen Kräfte und Mächte in dieser Kirche miteinander verbunden“ (zit. n. Theodor Schneider, Was wir glauben, Düsseldorf 1985, 400).

Ja, wir sind verbunden: die pilgernde Kirche, die auf dem Weg ist durch diese schwierige Zeit, und die himmlische Kirche, die Gemeinschaft der Engel, Seligen und Heiligen. In unserer Basilika ist dies gerade heute Abend mit Händen zu greifen. Wir holen den hl. Bischof Ulrich aus der Krypta zu uns nach oben, wir bereiten ihm einen festlichen Empfang und stellen ihn mitten in unsere Gemeinschaft der Kirche von Augsburg. Um ihn scharen wir uns die nächsten Tage als Gemeinschaft der Heiligen. Gerade jetzt am Anfang der Ulrichswoche rufen wir: Heiliger Bischof Ulrich, willkommen in unserem Club, im Club der Communio Sanctorum! Hilf uns, selbst heilig zu werden!

04.07.2020 - Bistum Augsburg , Gottesdienst