Peace, love and happiness – Frieden, Liebe und Glück: Das waren von 1967 an die Prinzipien der Hippie-Bewegung. Im August 1969 erlebte sie mit dem Woodstock-Festival vom 15. bis 18. August ihren Höhepunkt und zugleich Abgesang. Eine Woche zuvor begingen die Blumenkinder der „Manson Family“ im Drogenrausch sieben Morde und offenbarten die Kehrseite von Flowerpower. Höchste Zeit für den Wandel, meinte der Zeitgeist, und besann sich auf eine neue Heilsbotschaft. Diesmal aber eine ganz alte.
Er kam sanft rockend – in die Discos des Jahres 1969. Nachdem die Menge im Gedränge auf den Tanzflächen sich zu „Whole Lotta Love“ von Led Zeppelin geschüttelt und abgestrampelt hatte, verebbten die zuckenden Laser-Blitze. Nur noch ein Ultraviolett-Strahl zielte auf die Disco-Kugel. Das war der Moment, um mit dem Partner auf dem Parkett auf Tuchfühlung zu gehen. Soulig-weiche Guitar-Licks erklangen und ein Gospelchor setzte ein, sanft wiegend. Und dann kam die Stimme des Sängers mit Bariton-Timbre, welche da verhieß: „Jesus is a Soul Man.“
Lawrence Reynolds, der Interpret, ein Nobody aus dem tiefsten Alabama, war gut für den Überraschungs-Hit des Jahres – und für einen Million-Seller weltweit. War die Disco bis dahin eine Art Antipode zur Kirche – ein leicht anrüchiges Sündenbabel mit verschwitzten Körpern im Dunst von Alkohol und Zigarettenrauch – so tauchte Jesus hier unerwartet und zu aller Überraschung auf.
"Oh Happy Day"
Was da anrollte, war ein erstes Manifest der Jesus-People-Bewegung, die Ende der 1960er Jahre die Hippie-Bewegung an der amerikanischen Westküste ablöste. Den Bann gebrochen für das Kirchenlied in der Disco hatte schon ein Jahr davor ein nordkalifornischer Jugendchor. Dessen Aufnahme der traditionellen Hymne „Oh Happy Day“ – rustikal auf einem alten Zweispurtonband – war mehr oder weniger für den privaten Gebrauch gedacht.
Aber es wurden 600 Singles gepresst, und eine davon kam in die Hände des Radio-DJ Abe „Voco“ Keshishian. Dieser erkannte augenblicklich das Potential der Musik – und spielte die Hymne immer wieder auf einer privaten Sendestation in San Francisco. Begeisterte Anrufe von Zuhörern bestätigten umgehend die Qualitäten seines Fundes. Bloß der Name „Northern California State Youth Choir“ schien wenig geeignet für eine Karriere in der Popmusik. Flugs wurde der Chor nach seinem Dirigenten umbenannt und als „Edwin Hawkins Singers“ auf Hitparadenkurs gesteuert.
Gotteslob mit Gänsehaut-Effekt, die ekstatisch-kehlige Stimme der Leadsängerin Dorothy Combs Morrison, wohlig eingebettet in die Harmonien des Gospelchores, war jetzt auf allen säkularen Radio-Frequenzen zu hören. Der Tag der Sünden-Vergebung wurde darin mit Inbrunst gepriesen – „when Jesus washed my sins away“. Und das Hit-Wunder war perfekt: Der Erlöser war im Radio „cool“.