Vom Dnjepr in die Allgäuer Berge: Diese weite Reise über mehr als 2300 Kilometer haben die sechs ukrainischen Flüchtlinge, vier Frauen und zwei Kinder, hinter sich, die in Bihlerdorf ein vorläufiges Zuhause gefunden haben. Mehrmals am Tag gesellt sich die Hausherrin Leni Bertele zu den Gästen. Den ukrainischen Borschtsch findet die Seniorin „sehr gut“.
Für die Unterhaltung setzt sich Sascha ans Fenster, ihr Smartphone in der Hand. Sie oder eigentlich ihr Gerät übernimmt das Dolmetschen. Auf dem Platz auf der Eckbank, neben dem Herrgottswinkel, ist in dem alten Haus in der Ortsmitte von Bihlerdorf das Handynetz für die Datenverbindung am besten. „Internet!“, sagt die 22-Jährige mit den langen schwarzen Haaren in einem ungeduldigen Ton und macht ein grimmiges Gesicht. Damit ist sie hier eindeutig unzufrieden.
Wie sie die Hilfe in Deutschland empfindet: Diese Frage soll Saschas Smartphone übersetzen. Die Ukrainerin ist seit Mitte März mit ihrer Mutter Oksana (48) und ihrem Halbbruder Myron (6) hier. Die Frauen nehmen an einem Sprachförderprogramm teil, haben bei der Gemeinde pro Person 80 Euro Begrüßungsgeld erhalten und bei der Telekom SIM-Karten fürs Handy. Beide sind – Sascha erst seit ein paar Monaten – verheiratet und haben ihre Männer zurückgelassen.
Hilfe und eine Chance
Aus dem Smartphone ertönt ein kurzer Ton, dann übersetzt eine digitale Frauenstimme: „Kak vy
otnosites’ k pomoshchi v Germanii?“ Sascha muss nicht lange überlegen. „Das sehen wir natürlich positiv“, übersetzt eine deutsche Stimme ihre Antwort. „Sie bieten uns eine Unterkunft, finanzielle Hilfe, eine Chance, uns weiterzuentwickeln.“ Und nach einer Pause: „Ich bin auch den Familien sehr dankbar, die uns helfen, uns anzupassen, und in allem.“
Die Familien, das sind Barbara Renn und ihre Mutter Leni Bertele, die alle Oma Leni nennen. Dazu gehört die ganze Verwandtschaft: Von den Nichten und Neffen kamen drei Kartons an Kleiderspenden. Barbara Renns Freundinnen brachten am Tag darauf weitere drei Kartons. „Die haben das angeboten.“ Der Onkel hat Geld gegeben. Und ihre Cousine hat drei Fahrräder besorgt.
Das war im März. Bevor dann am Gründonnerstag die zweite dreiköpfige Gruppe von Flüchtlingen über Berlin hierher kam und in das Haus einzog, hat Barbara Renn in der Früh „noch das Schlafzimmer hergerichtet“, erzählt die 56-Jährige mit der drahtigen Figur. „Die Mama hat mir geholfen und mir gesagt, wo ich die Sachen hintun darf, die da gelagert waren. Ich muss das ja immer mit Einverständnis von der Mama machen, weil sie da im Haus wohnt.“