Ersatzmilch rettet Babyleben. Für viele Mütter, die aus gesundheitlichen Gründen auf die künstliche Nahrung angewiesen sind, bleibt der Gang in den Supermarkt die einzige Alternative zum Säugen. Allerdings nährt die Milch aus der Dose auch eine Millionenindustrie. Und die versteht es, junge Frauen durch „aggressives Marketing“ von ihren Produkten zu überzeugen. Zu diesem Schluss kam eine Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des UN-Kinderhilfswerks Unicef.
Demnach fördere die Industrie mit „enormen Werbeetats“ und „unter bewusster Verzerrung wissenschaftlicher Fakten“ den Konsum von Ersatzprodukten, heißt es von der WHO. Frauen wollen nur das Beste für ihr Kind – dieser Instinkt werde „gezielt ausgenutzt“, um das Geschäft anzukurbeln. Die Langzeitfolgen dieses übermäßigen Verbrauchs von Ersatzmilch seien verheerend, warnen Mediziner – allem voran für Entwicklungsregionen.
„In Südafrika und vielen afrikanischen Ländern ist ausschließliches Stillen eher die Ausnahme“, sagt die Allgemeinmedizinerin Gail Ashford vom Donald-Gordon-Lehrkrankenhaus in Johannesburg. Aus ihrem Berufsalltag weiß sie: Die meisten Babys in Südafrika erhalten nur wenig Brustmilch, dafür wird „sehr früh“ künstliche Nahrung gereicht.
Risiko des Babys steigt
Dadurch steige das Risiko des Babys, im ersten Lebensjahr an Lungenentzündung oder Diarrhö zu erkranken. Umgekehrt stärke Brustmilch das Immunsystem von Säuglingen so sehr, dass das Gesundheitsministerium am Kap sogar HIV-positiven Müttern empfehle, ihre Kinder zu stillen. „Die Situation in Afrika ist einzigartig: Kinder in dieser Region sind besser dran, wenn sie auch nur ein wenig Brustmilch erhalten anstatt gar keine“, sagt Ashford.
WHO und Unicef halten in ihrer Studie fest: Nicht Ersatzmilch an sich, sondern ihre Vermarktung sei das Problem. Diese verhindere, dass Mütter eine „informierte Entscheidung“ über die Ernährung ihres Kindes treffen können. Außerdem beschränke sich das Marketing der Hersteller nicht auf Plakat- oder Fernsehwerbung, sondern beginne schon auf der Entbindungsstation. „In Mexiko, Südafrika und Vietnam erzählten Gesundheitsarbeiter, dass einige Privatkrankenhäuser mit einer bestimmten (Ersatzmilch)-Marke in Verbindung stehen und dafür bezahlt werden, sie zu bewerben“, heißt es in der Studie.
Der Arzt empfiehlt
Rund 8500 Mütter in acht Ländern wurden für die Untersuchung befragt. In Marokko berichtete jede fünfte Mutter, von Ärzten oder Pflegern kostenlose Probepackungen an Ersatzmilch erhalten zu haben. Eine Schwangere in der nigerianischen Stadt Lagos erzählte: „Wenn der Arzt es empfiehlt und ich merke, dass es meinem Kind guttut, vertraue ich darauf.“