Waldemar Bonsels und sein Bestseller

Biene Maja – Das beliebteste Insekt der Welt

Sie ist die wohl bekannteste Biene der Welt. Seit mehr als 100 Jahren summt und schwirrt sie durch die grüne Natur, sammelt Honig und erlebt Abenteuer mit ihren Freunden: Spätestens seit der Zeichen-trickserie der 1970er Jahre ist die Biene Maja (fast) jedem hierzulande ein Begriff. Bereits Mitte der 1920er Jahre war das von Waldemar Bonsels erdachte Insekt erstmals zum Filmstar geworden.

In zwei Staffeln und 104 Trickfilm-Folgen erlebten Maja und ihre Freunde Willi, eine gemütlich-verpennte Drohne, und Grashüpfer Flip zwischen 1975 und 1980 vielfältige Abenteuer. Charakteristisch für die Serie ist ihr Anime-Stil, der sich am traditionellen japanischen Zeichentrick orientiert. Das überrascht nicht, schließlich entstand „Die Biene Maja“ in japanischen Animationsstudios.

Die Serie, eine Co-Produktion des ZDF, erwies sich als äußerst erfolgreich, wurde im Fernsehen mehrfach wiederholt und führte zu einer regelrechten Maja-Welle: Comics wurden gezeichnet, Lizenz-artikel produziert. Das Bild der Anime--Maja und ihrer Freunde ging um die Welt. Ab 2013 bauten eine computeranimierte 3D-Serie und ein deutsch-australischer 3D-Kinofilm darauf auf. 

Bekanntes Titellied

Selbst wer die Zeichentrickserie der 1970er Jahre nicht selbst gesehen hat – die Titelmusik kennt er bestimmt. „In einem unbekannten Land, vor gar nicht allzu langer Zeit, war eine Biene sehr bekannt“, trällerte der tschechische Schlagerstar Karel Gott mit seinem typischen böhmischen Akzent. Das Titellied hat den im vergangenen Oktober verstorbenen Sänger untrennbar mit dem beliebten Insekt verknüpft.

Vater der „kleinen frechen schlauen Biene Maja“ ist der deutsche Verleger und Schriftsteller Waldemar Bonsels. Geboren wurde er am 21. Februar 1880 im holsteinischen Ahrensburg. In Bielefeld machte er eine kaufmännische Ausbildung, bevor er als Missionar nach Asien ging und 1904 in München mit drei Freunden einen Verlag gründete.

Die Münchner Zeit war die Zeit seines fruchtbarsten Schaffens. Hier schrieb Bonsels seinen 1912 veröffentlichten Bestseller „Die Biene Maja und ihre Abenteuer“. Drei Jahre darauf folgte die Fortsetzung „Himmelsvolk. Ein Märchen von Blumen, Tieren und Gott“. Bonsels wurde zu einem der erfolgreichsten deutschen Autoren seiner Zeit. Seine Leser fand er in Schützengräben des Weltkriegs ebenso wie in akademischen Kreisen. Männer lasen die „Biene Maja“ ebenso wie Frauen, Junge wie Alte.

Bis heute wurde Bonsels „Biene Maja“ in mehr als 40 Sprachen übersetzt, teilt die Waldemar-Bonsels--Stiftung in München mit. Die Stiftung wurde 1977 von Bonsels’ Witwe errichtet und widmet sich nach eigenen Angaben im Wesentlichen der Pflege des literarischen Erbes und des Nachlasses von Waldemar Bonsels sowie der kritischen wissenschaftlichen Aufarbeitung seiner Arbeit und ihrer Wirkung.

In den 1920er Jahren stand Bonsels auf dem Zenit seines Erfolgs. Unter seiner Mitwirkung entstand Mitte des Jahrzehnts eine erste Maja--Verfilmung, die sich fundamental von den späteren Trickfilmen unterscheidet: In mühevoller Kleinarbeit, die sich über gut zwei Jahre hinzog, filmte das Team um Regisseur Wolfram Junghans und Kameramann Adolf Weitzenberg echte Insekten und fügte die Aufnahmen so aneinander, dass sie mit Hilfe der Zwischentitel eine zusammenhängende Geschichte erzählen.

„Das Besondere des Films liegt einesteils darin, mit gekonnt arrangierten Dokumentaraufnahmen eine Geschichte zu erzählen, dabei aber auch die Fantasie des Zuschauers zu fordern“, sagt Michael Seeber vom Seeber-Filmverlag in Klagenfurt. „Andernteils ist es die technische Leistung, mit den damaligen Mitteln, vor allem mit den schwerfälligen Kameras, künstlerische Bilder von Insekten einzufangen und sie wie Schauspieler zu fotografieren.“

„Die Biene Maja und ihre Abenteuer“ kann angesichts ihres Alters heutigen Sehgewohnheiten nicht entsprechen. Seebers Begeisterung für den eingefärbten Stummfilm lässt sich aber nachvollziehen, erweist er sich doch in mehrerlei Hinsicht als Meilenstein. Wohl erstmals ist hier im bewegten Bild zu sehen, wie eine Biene schlüpft und ihre ersten Schritte im Leben macht. Mit ihren Schwenks und regelrechten „Flügen“ über die Landschaft, die den Flug der Biene symbolisieren, nimmt der Streifen zahlreiche Produktionen späterer Jahrzehnte vorweg.

Selten gezeigter Film

Seeber hat den Film der Vergessenheit entrissen und ihn neu auf DVD herausgebracht. „Die Veröffentlichung geht auf den Fund eines alten Programmhefts zurück, das mich auf diesen selten gezeigten und kaum besprochenen Film brachte“, erinnert er sich. „Mit dem Orchester Filmharmonie haben wir die ‚Biene Maja‘ zunächst als Filmkonzert herausgebracht, das bis heute immer wieder gespielt wird.“

1925 hatten Junghans und seine Kulturfilm-A.G. ihre „Biene Maja“ fertiggestellt. 1926 kam sie ins Kino – und wurde von Kritikern gefeiert. Die vom Bundesarchiv-Filmarchiv restaurierte Version, die Seeber auf DVD herausbrachte, ist von Komponist Florian C. Reithner neu vertont worden. Den Insekten ordnete der junge Österreicher typische Melodien zu. So wird aus dem Stummfilm buchstäblich ein Summfilm.

Während Bonsels’ abenteuerlustige Biene nicht nur in Deutschland ein Begriff ist, ist ihr Vater bis heute für viele ein Unbekannter geblieben. Der Münchner Literaturwissenschaftler Bernhard Viel nennt ihn in seiner Ende 2015 erschienenen Bonsels-Biografie „Der Honigsammler“ den „wohl unbekanntesten Bestsellerautor“.

Für nicht wenige, die sich näher mit Bonsels beschäftigen, liegt ein Schatten über dem Autor – ein brauner Schatten. Seine Haltung zu Nationalsozialismus und Antisemitismus ist umstritten. In einem Zeitungsartikel begrüßte Bonsels 1933, dass nun der „überhandnehmende Einfluß jüdischen Wesens“ beendet werde. Nach dem Krieg erhielt er für einige Monate Publikationsverbot. 

„Die Persönlichkeit Waldemar Bonsels ist Gegenstand vieler Betrachtungen und Analysen gewesen“, teilt die Bonsels-Stiftung auf Nachfrage mit. „Die Stiftung sieht keine Veranlassung, der Meinungsvielfalt über Bonsels eine eigene Version der Würdigung seiner Persönlichkeit hinzuzufügen“, sagt der Vorstandsvorsitzende Ralf Kirberg.

Die von der Stiftung angestoßene Biografie „Der Honigsammler“ von Bernhard Viel zeigt Bonsels als Opportunisten, der sich den NS-Machthabern anbiederte – aber nicht als überzeugten Nationalsozia-listen. Und sie betont: Rassenbiologisch argumentierte Bonsels nie. Seine Haltung zur „Judenfrage“ hatte ihren Ursprung eher im christlichen Antijudaismus.

Welt als Gottes Schöpfung

„Ohne Frage: Waldemar Bonsels’ Weltbild ist christlich grundiert“, sagt Bernhard Viel und macht das pietistische Elternhaus als Quelle aus. „Aus diesen Einflüssen entwickelt Bonsels seine romantische Naturmystik, die die Natur als beseelte, geistdurchwirkte, harmonisch geordnete Einheit zeigt, in der sich die Welt als Gottes Schöpfung abbildet.“

Bonsels’ Denken sei vom „Reichsnationalismus“ beeinflusst, der die Identität des liberalen protestantischen Bürgertums der Kaiserzeit prägte. Durch den Ersten Weltkrieg habe sich Bonsels’ Weltbild radikalisiert, analysiert Viel. In Jesus sehe er weniger den „Jesus der Vergebung“ und mehr „den Streiter, der mit dem Stock in der Hand die Wucherer aus dem Tempel treibt“.

Bonsels lässt sich Viel zufolge „im weltanschaulichen Feld jener völkisch orientierten Nationalisten ansiedeln, die Jesu jüdische in eine arische Abstammung umzuwidmen suchten, das Christentum also germanisierten“. „Dieser völkisch unterfütterte Nationalismus musste nicht zwangsläufig in eine nationalsozialistische Weltanschauung münden.“

Die Kritik an Bonsels’ Weltbild schließt die „Biene Maja“ mit ein. Einzelne Motive des Buchs wie die im Film von 1925 als dramatischer Höhepunkt gezeigte Abwehrschlacht der Bienen gegen die Hornissen gelten Kritikern angesichts ihrer Betonung von Volk, Kampf und Gemeinschaft als Ausdruck von Bonsels’ Nationalismus. Die „Biene Maja“ – ein Machwerk völkisch-militaristischer Propaganda?

Michael Seeber weist diese Deutung zurück. „Bonsels’ Erzählung ist ein wertvolles Stück Kinderliteratur, dem zu Unrecht kriegsverherrlichende Tendenzen unterstellt werden“, meint er. „Dasselbe wurde auch dem Film vorgeworfen – freilich erst in heutigen Tagen. Beides verkennt aber die Person Bonsels’ völlig. Buch und Film müssen aus der Perspektive ihrer Entstehungszeit gesehen und nicht an heutigen Moralvorstellungen gemessen werden.“ Tatsächlich war solche Kritik von Zeitgenossen nicht zu vernehmen – auch nicht im Ausland.

„Waldemar Bonsels war wie jeder Autor ein Schriftsteller, der gelesen werden wollte“, sagt Ralf Kirberg von der Münchner Bonsels-Stiftung. „Das ist ihm mit ‚Die Biene Maja und ihre Abenteuer‘ gelungen. Der Erfolg erklärt sich nach Auffassung der Stiftung aus seiner einfühlsamen Darstellung einer mit Persönlichkeiten belebten Tier- und Naturwelt, die von der Liebe zu dieser und zum Menschen geprägt ist.“

Thorsten Fels

Buchtipp

Bernhard Viel

Der Honigsammler

Waldemar Bonsels, Vater der Biene Maja

Eine Biografie

ISBN: 978-3-95757-148-9; 24,90 Euro

28.05.2020 - Historisches , Literatur