Kampfgefährte des heiligen Ulrich

Der Kaiser am Ziel seiner Reise

„Des Kaisers letzte Reise“ ist ein umfassendes Kulturprogramm überschrieben, mit dem das Land Sachsen-Anhalt an Kaiser Otto I. erinnert, den schon Chronisten des Mittelalters „den Großen“ nannten. Anlass ist der Tod Ottos vor 1050 Jahren: Am 7. Mai 973 starb der Sieger über die Ungarn auf dem Lechfeld und Kampfgefährte des heiligen Ulrich in seiner Pfalz in Memleben. 

„Des Kaisers letzte Reise“ vollzieht symbolisch die letzte Fahrt des 60-jährigen Kaisers nach: von Magdeburg über Quedlinburg nach Memleben, wo 37 Jahre zuvor bereits sein Vater Heinrich starb. Es war eine Reise, die Otto I. in seine Lieblingspfalz führte und zugleich zur Vollendung seiner irdischen Existenz – und damit ans endgültige Ziel eines jeden menschlichen Lebens.

18 Jahre zuvor hatte der Kaiser mit seinen Truppen auf dem Lechfeld bei Augsburg die heidnischen Ungarn besiegt und damit letztlich deren Integration ins christliche Abendland eingeleitet. Zwar focht er dabei nicht Seit’ an Seit’ mit dem Augsburger Bischof Ulrich, wie das Volksüberlieferung und Legende gerne behaupten. Während Otto die Ungarn auf dem Lechfeld besiegte, schlug der heilige Bischof ihren Angriff auf Augsburg nieder – und hatte so einen wichtigen Anteil am Sieg.

Ulrich, gut 20 Jahre älter als Otto, war einer der einflussreichsten Kirchenfürsten jener Zeit. Bereits beim Aufstand von Ottos Sohn Liu­dolf von Schwaben 953/954 stand Ulrich treu zum Kaiser und vermittelte schließlich ein Ende der Feindseligkeiten – gerade rechtzeitig, damit das Reich der Ungarn-Gefahr geeint trotzen konnte. Am Ende seiner eigenen irdischen Reise starb Ulrich am 4. Juli 973 – nur wenige Wochen nach seinem Kaiser. Dessen zweite Frau Adelheid förderte später den Neubau des Augsburger Doms.

"Ottonische Renaissance"

Otto war der erste römisch-deutsche Kaiser aus dem sächsischen Geschlecht der Liudolfinger, die nach ihm selbst auch „Ottonen“ genannt werden. „Seine Herrschaftszeit gilt als kulturelle Blütezeit Europas“, heißt es beim Dommuseum Ottonianum in Magdeburg. Kunst und Kultur gelangten zu voller Entfaltung. Manche Forscher sprechen von einer „Ottonischen Renaissance“.

Im Frühjahr 973 war Otto gerade von einem sechsjährigen Zug durch Italien in das Herz seines Reiches, das heutige Sachsen-Anhalt, zurückgekehrt. In Italien hatte der Kaiser Papst Johannes XIII. gegen Feinde beigestanden, seinen Sohn Otto II. zum Mitkaiser erheben lassen und dessen Ehe mit der byzantinischen Prinzessin Theophanu arrangiert. Über Pavia reiste er zurück in die deutschen Lande.

Am Palmsonntag besuchte Otto den Magdeburger Dom. Für die Gründung der Erzdiözese Magdeburg hatte er 967 auf seiner Italien-­Fahrt die Zustimmung des Papstes erreicht. Ostern verbrachte der Kaiser in Quedlinburg. Bei einem Hoftag empfing er Gesandte aus Byzanz, Italien, Ungarn sowie aus Nord- und Osteuropa. Eine Delega­tion des Kalifen von Córdoba erreichte den Kaiser erst in Merseburg. Hier beging Otto Christi Himmelfahrt. In Memleben ergriff ihn ein heftiges Fieber, dem er schließlich erlag.

Zentrale Königslandschaft

Magdeburg, Quedlinburg, Merseburg und Memleben – mit diesen Orten ist die „zentrale Königslandschaft“ des ottonischen Reichs umrissen. So nennt die Jubiläums-Webseite „Des Kaisers letzte Reise“ jenes Gebiet zwischen Elbe, Saale, Harz und Kyffhäuser, wo die sächsischen Kaiser und Könige herstammten. „Damals entstand hier eine europaweit einzigartige Kulturlandschaft, deren historisch-kulturelles Erbe bis in die Gegenwart sichtbar ist.“

In Magdeburg, wo Otto I. im Dom beigesetzt ist, begeht Landesbischof Friedrich Kramer einen Gottesdienst zum Todestag des Kaisers. Das Kulturhistorische Museum zeigt die Sonderausstellung „Welche Taten werden Bilder? Otto der Große in der Erinnerung späterer Zeiten“. Im Dommuseum Ottonianum ist Otto und seiner ersten Frau Editha von Wessex eine interaktive Dauerausstellung gewidmet. Die Ehe sei, liest man, „eine Entscheidung des Herzens und der Strategie“ gewesen.

Quedlinburg, Welterbe-Stadt am Harz, lockt mit pittoresken Fachwerkhäusern und Gassen und dem Schlossberg, der die Altstadt überragt. „Mit seinem beeindruckenden Ensemble aus Schloss und Stiftskirche ist er einer der wichtigsten Orte deutscher und europäischer Geschichte“, erläutert die Webseite „Des Kaisers letzte Reise“. Ein Historienspiel macht den glanzvollen Hoftag Ottos lebendig.

Begegnung der Kulturen

In Merseburg, der Heimat der berühmten „Merseburger Zaubersprüche“ aus vorchristlicher Zeit, ist ab 18. Mai die Sonderausstellung „Otto der Große, der heilige ­Laurentius und die Gründung des Bistums Merseburg – Spurensuche im Merseburger Kaiserdom“ zu sehen. Das Kulturhistorische Museum Schloss Merseburg erinnert an die Hoftage 965 und 973 und die hierbei stattfindende Begegnung der Kulturen.

Das Museum Kloster und Kaiserpfalz Memleben lädt zu einer ganz besonderen Spurensuche: „Des Kaisers Herz – Archäologische Tiefenfahndung am Sterbeort Ottos des Großen“. Denn nicht nur des Kaisers Herz, das in Memleben bestattet worden sein soll, ist verschwunden. Auch die Lage der Kaiserpfalz ist umstritten. Erhalten sind Ruinen des einstigen Klosters, darunter die spätromanische Krypta.

Alle Orte des Programms „Des Kaisers letzte Reise“ sind eingebunden in die „Straße der Romanik“, eine Touristenroute, die auf mehr als 1000 Kilometern 88 romanische Bauwerke verknüpft – vom zehnten bis zum 13. Jahrhundert. Aus der Taufe gehoben wurde sie just am 7. Mai 1993, vor genau 30 Jahren. Und damit am 1020. Todestag von Otto dem Großen, in dessen Zeit der romanische Stil seinen Ausgang nahm.

Thorsten Fels

Information

Einen Überblick über die Jubiläumsveranstaltungen und -ausstellungen bietet www.deskaisersletztereise.de. Einen Beitrag zur „Straße der Romanik“ lesen Sie in der nächsten Ausgabe.

03.05.2023 - Deutschland , Historisches , Ulrich