Junípero Serra

Ein Heiliger im Rassismus-Sturm

Die Auseinandersetzung um tatsächlichen oder vermeintlichen Rassismus treibt mitunter seltsame Blüten. Sogar ein Heiliger ist jetzt betroffen. Die Protestwelle um den Franziskaner und Missionar Junípero Serra (1713 bis 1784) schwappte aus den USA auf dessen Heimatinsel Mallorca über.

Die Botschaft ist klar: „Rassist“ hat ein Unbekannter in leuchtroten Lettern auf ein Serra-Denkmal in Palma de Mallorca gepinselt. Es zeigt den Franziskaner, der in der Rechten ein Kreuz hält und mit der Linken einen indigenen Jungen umfasst. Serra stammte von der Balearen-Insel und trieb die christliche Mission in Kalifornien voran. In welcher Form und ob diese tatsächlich repressiv war – darüber kursieren unterschiedliche Ansichten.

Ein Exempel statuiert

US-Aktivisten, jüngst noch angestachelt durch den gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd, sehen den weißen Spanier in der Rückschau als Unterdrücker der Kultur. Durch die angespannten Debatten um Rassismus und den Genozid an den Ureinwohnern im 19. Jahrhundert ist die Figur des Heiligen in den USA in den Fokus von Demonstrationen gerückt – als solle ein Exem-pel statuiert werden. 

Rote Farbe als Zeichen der Blutspur

In San Francisco wurde Serra mit Gewalt von seinem Denkmalsockel geholt und rot beschmiert – ein Zeichen für jene Blutspur, die er nach Ansicht seiner modernen Kritiker hinterlassen haben soll. Auch in Los Angeles stießen Demonstranten die Figur des Heiligen um. Die Filmaufnahmen, die sie davon anfertigten, stellten sie ins Internet.

Twittermeldung als Anlass

Die Protestwelle ist nun über den Großen Teich geschwappt und hat Mallorca erreicht. Angeheizt wurde die Stimmung durch eine Meldung im Kurznachrichtendienst Twitter: Sonia Vivas, Stadtverordnete der Linkspartei Podemos, plädierte dafür, das Denkmal für Junípero Serra vor der Basilika Sant Francesc in Palma zu entfernen. Das löste Kontroversen aus, denen Palmas sozialistischer Bürgermeister Jose Hila entschieden entgegentrat. 

Nachfahren der Indianer: Missionar habe Kultur zerstört

Die Kontroversen um den „Apostel Kaliforniens“ und „christlichen Gründungsvater“ des Staates sind keineswegs neu. Bereits im Vorfeld seiner Heiligsprechung 2015 durch Papst Franziskus in Washington hatte es erbitterten Widerstand gegeben. Die Nachfahren der Indianer Nordamerikas machen den Missionar für die Zerstörung ihrer Kultur mitverantwortlich. Serra sei bei der Christianisierung der Westküste „kompromisslos“ vorgegangen, habe den Glauben aufgezwungen und religiöse Praktiken zerstört, lauteten die Vorwürfe.

Dagegen steht die Einschätzung, der Missionar sei seiner Zeit voraus gewesen und habe sehr wohl die Rechte der indigenen Völker verteidigt. Sie seien „wie Kinder“ für ihn gewesen. Papst Franziskus würdigte Serra bei der Heiligsprechung als einen vorbildlichen Missionar, der offen auf die Menschen zugegangen sei und die Würde der Ureinwohner habe schützen wollen. 

Bischofskonferenz Kaliforniens sieht in Serra Kämpfer für Indianer 

Dies unterstrich nun noch einmal die Bischofskonferenz Kaliforniens. Serra habe „heroische Opfer“ auf sich genommen, um die Indigenen „vor den spanischen Eroberern, speziell den Soldaten“, zu schützen, hieß es vorige Woche in einer Erklärung. Trotz einer schmerzhaften Beinverletzung sei er zu Fuß nach Mexiko-Stadt gegangen, um sich bei den spanischen Kolonialbehörden für eine bessere Behandlung der Indianer einzusetzen.

Junípero Serra hatte sich nach Theologiestudium und Seelsorgetätigkeit in Spanien mit 36 Jahren als Freiwilliger für die Mission in der Neuen Welt gemeldet. Zunächst ging er nach Mexiko und zog von dort Richtung Norden. 1769 gründete er in San Diego seine erste Missionsstation. Bis zu seinem Tod folgten weitere Gründungen bis hoch in die Bucht von San Francisco.

In jenen Jahren taufte er mehrere tausend Ureinwohner. Nach dem Empfang des Sakraments durften sie die Missionen freilich nicht mehr verlassen – und wurden mit drakonischen Strafen, auch Peitschenhieben, bedacht, wenn sie sich nicht daran hielten. Viele Indigene starben an Infektionskrankheiten, die die Europäer eingeschleppt hatten. Die Urbevölkerung schrumpfte massiv.

Vorwurf: Gegner blenden historische Rahmenbedingungen aus

Serras Verteidiger werfen den Gegnern des Heiligen vor, die historischen Rahmenbedingungen auszublenden: Obwohl Serra im 18. Jahrhundert lebte, legten sie die Urteilsmaßstäbe moderner Zeiten an. Die Kosten für die Entfernung der Schmierereien auf dem Denkmal von Palma de Mallorca trägt der spanische Steuerzahler.

Andreas Drouve

30.06.2020 - Ausland , Heilige , Rassismus