Ende der Apartheid vor 25 Jahren

Eine Botschaft: Friede ist möglich

Südafrika feiert den 25. Jahrestag seiner ersten demokratischen Wahl, die Nelson Mandela zum Präsidenten machte: Vom 26. bis 29. April 1994 konnten erstmals auch Schwarze abstimmen. Das ist vor allem zwei Männern zu verdanken: Cyril Ramaphosa vom Afrikanischen Na­tionalkongress und Roelf Meyer von der Nationalen Partei handelten das Ende der Apartheid aus. Ramaphosa ist heute Präsident der Republik, Meyer Konflikt­berater. Im Interview blickt er auf den Wandel zurück, den er selbst mit angestoßen hat. 

Herr Meyer, Sie haben Südafrikas Weg zur Demokratie geebnet. Zuvor waren Sie Teil des Regimes, das die Schwarzen unterdrückte. Was verursachte den Sinneswandel? 

Viele in meiner Altersgruppe begannen schon in den 1970ern zu fragen, wo wir als Land in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Rassenpolitik stehen. Als junger Anwalt in Pretoria erkannte ich zum ersten Mal, dass wir eine Veränderung brauchen. Was damals im Gesetz stand, öffnete mir die Augen, dass wir so nicht leben können, dass es ungerecht ist. Dass der Wandel erst so spät kam, lag daran, dass die Apartheid damals tief in die Gesellschaft eingebrannt war. Ich war Teil der Reformer in der Nationalen Partei und freue mich, dass wir den Wandel in den 1990ern endlich umsetzen konnten. 

Was war die größte Hürde auf dem Weg zur Demokratie? 

Unsere wohl größte Herausforderung war es, die Denkweise der Nation zu verändern. Auch bei heutigen Konflikten sehen wir ganz klar, dass ohne einen fundamentalen Sinneswandel kein anhaltender Frieden möglich ist. Mehrere Faktoren beschleunigten diesen Prozess damals. US-Präsident Ronald Reagan und die britische Premierministerin Margaret Thatcher waren die letzten Unterstützer des Apartheid-Re­gimes. Als auch sie ihre Haltung änderten, wuchs der Druck so sehr an, dass allen klar wurde: Ein Umbruch ist unvermeidbar. Auch im Land selbst wuchs der Widerstand. 

Gemeinsam mit Cyril Ramaphosa handelten Sie den Fahrplan zum demokratischen Regierungssystem aus. Was verbindet Sie beide?  

Wir haben es als Vertreter unserer jeweiligen Partei geschafft, Vertrauen zwischen uns aufzubauen. Das war der springende Punkt, der zum Erfolg der Verhandlungen beitrug. Wir beide waren direkt involviert und hatten keinen Vermittler zwischen uns, sodass unsere Beziehung zum Schlüssel in dem ganzen Prozess wurde. Wir konnten uns aufeinander verlassen. Daraus entwickelte sich später eine Freundschaft, die bis heute hält. 

Gibt es aufgrund dieser Freundschaft heute Demokratie in Süd­afrika? 

Das wäre eine Übertreibung. Aber unsere Beziehung trug maßgeblich dazu bei, dass es zu einer friedlichen Einigung kam. 

Wie reagierten Sie, als Ramaphosa voriges Jahr Präsident wurde? 

Ich habe gesagt, das ist das beste, das Südafrika passieren konnte. Schon Nelson Mandela hätte ihn gerne als seinen Nachfolger eingesetzt. Jetzt trat Cyril sein Amt zu einer Zeit an, zu der wir jemanden wie ihn dringend brauchen. Am Ende der Ära von Ex-Präsident Jacob Zuma war Südafrika praktisch zerstört. Wir brauchten jemanden, der uns an unser anfängliches Streben erinnert. 

25 Jahre nach Ende der Apartheid gilt jeder zweite Südafrikaner als arm, jeder vierte hat keine Arbeit. Gibt es angesichts dessen wirklich etwas zu feiern? 

Der Jahrestag der ersten demokratischen Wahl wird immer ein Feiertag sein, denn an diesem Tag im Jahr 1994 wurden wir ausnahmslos alle frei. Nicht nur diejenigen, die gegen die Apartheid kämpften, sondern auch alle, die in diesem System lebten. Die Apartheid war ein unwirkliches System und an diesem Tag holten wir Südafrika in die Realität zurück. Was Regierungen dann mit Staaten anstellen – dafür kann man weder die Verfassung noch die Demokratie an sich verantwortlich machen. 

Nachdem Sie Südafrika beim Übergang zur Demokratie halfen, reisen Sie heute um die Welt, um andere Konfliktparteien zu beraten. Was hat Sie dazu motiviert?

Nach 1994 luden mich Vertreter anderer Konfliktstaaten ein, unsere Erfahrung mit ihnen zu teilen. Als die Leute nach und nach Südafrikas Erfolg erkannten, wurden wir bald eine Art Maßstab für Versöhnung. Persönlich musste ich nicht erst überzeugt werden, andere Staaten zu beraten, es war eine Reaktion auf die vielen Anfragen. 

2013 gründete ich mit anderen die „In Transformation Initiative“. Das ist eine großartige Idee, denn wir können in Konfliktsituationen eine gute Nachricht einfließen lassen und so Hinweise liefern, wie ein Konflikt vielleicht gelöst werden könnte. 

Dabei helfen Sie nicht nur in afrikanischen Krisenherden wie dem Südsudan oder dem Kongo. Auch auf Zypern und in Nordirland berieten Sie Konfliktparteien. Was bedeutet es Ihnen, wenn sogar europäische Staaten Hilfe von Süd­afrika suchen? 

Ich war über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren in Nordirland beschäftigt. Cyril Ramaphosa und ich waren gelegentlich zusammen dort, um die verschiedenen Streitparteien zu beraten. Ich sehe das als eine Art Belohnung für die Arbeit, die wir gemeinsam in Südafrika geleistet haben. Ein Grund, weshalb wir relativ erfolgreich sind, das sehe ich derzeit etwa in Myanmar, ist, dass wir komplett Außenstehende sind. 

Ich repräsentiere weder den Westen noch die Vereinten Nationen oder eine andere Organisation. Wir sind unabhängig. Zudem bringen wir, egal, wo auf der Welt, dieselbe Botschaft mit: dass Friede gegen alle Erwartungen möglich ist. Vor 1994 dachte die ganze Welt, Südafrika steuere auf einen Bürgerkrieg zu. Doch das konnten wir verhindern.

Interview: Markus Schönherr

26.04.2019 - Afrika , Politik