Tourismus-Geschichte Teil II

Mit Holzbrettern und Kernseife

Ob in den deutschen Mittelgebirgen oder in den Alpen: Eine winterliche Auszeit mit sportlicher Betätigung auf Skiern steht heutzutage hoch im Kurs. Dass ein vergleichsweise teurer und modern wirkender Sport aber bereits in den 1950er Jahren – ja, sogar schon Jahrzehnte davor – in Deutschland bekannt und populär war, wird die meisten überraschen.  

Wer hat diese Wintersportkultur nun in Gang gesetzt? Neu ist sie jedenfalls nicht: In schneereichen und unwegsamen Gegenden wie Skandinavien, Russland oder Sibirien kannte man die gleitende Fortbewegung im Schnee mit Hilfe langer Bretter schon seit vielen Jahrtausenden. 

In Norwegen kennengelernt

In Deutschland hat der Schwarzwald dahingehend die älteste Tradition: Skibretter waren erstmals im Jahr 1888 durch einen Landarzt namens Tholus nach Todtnau im Südschwarzwald gelangt. Dieser hatte zuvor in Norwegen praktiziert und dort Skier kennengelernt. Mit dem praktischen Fortbewegungsmittel kam man bei den hohen Schneelagen im Schwarzwald besser voran. Auch Krankenbesuche waren leichter zu bewerkstelligen. 

Ganz konkret wurde ein wichtiges Stück Skigeschichte dann 1889 auf dem Feldberg geschrieben. Und zwar von einem respektablen französischen Konsulatssekretär und erfahrenen Skifahrer, Robert Pilet. Zusammen mit einem Gefährten unternahm er als Erster die Skitour vom Bärental auf den höchsten Berg des Schwarzwaldes. Skisportnachhilfe aus Frankreich also! Später trugen sich die beiden im Gästebuch des bereits 1864 entstandenen Hotels Feldberger Hof ein. 

Einfachste Ausrüstung

Zwei Jahre später, 1891, versuchten auch die Todtnauer Carl Thoma II. und Fritz Breuer den als unzugänglich geltenden Feldberg von einer anderen Seite aus zu besteigen und abzufahren. Ausgerüstet waren sie mit einem Paar Ski und einem Paar Schneereifen, also einem länglich geformten Holzreifen mit einem Leder- oder Zweiggeflecht, der am eigenen Schuh befestigt wurde. 

Angesichts „großer Kälte, Nord­oststurm und zwei Meter Schneehöhe“ musste Thoma das abenteuerliche Unternehmen aufgeben und wurde durch das Personal des Feldberger Hofs geborgen. Dem Prokuristen Breuer indes gelang es, sein tief verschneites Ziel auf 1493 Meter Höhe zu erreichen. 

Dass eine solche Tour ein gefährliches Abenteuer gewesen sein muss, lässt sich angesichts der Ausrüstung denken: lange Holzbretter ohne Stahlkanten mit einer wackeligen Bindung, die aus einer handgefertigten Rindlederkappe, einem Halteriemen und einem Fangband bestand.

Von einer Sicherheitsbindung konnte keine Rede sein, ebenso wenig von fest sitzenden Skischuhen. Man trug geschnürte Lederstiefel – noch bis in die 1950er Jahre. Unvorstellbar für einen heutigen Skifahrer, wie man seinerzeit seine Skier wachste, um sie besser im Schnee gleiten zu lassen: eine Speckschwarte oder ein Stück Kernseife zum Einschmieren musste reichen. 

Erster deutscher Skiverein

Mehr oder weniger zeitgleich hatten die ersten Impulse des Skifahrens im Schwarzwald 1891 zur Gründung des ersten deutschen Skiclubs geführt: des SV Todtnau. Wer in der Region lebte oder die schneesicheren Gebiete im Rahmen einer eintägigen Skitour erreichen konnte, für den kam Skifahren als Urlaubstraum durchaus damals schon in Frage, selbst mit einem durchschnittlichen Einkommen.

"Ungeahnter Fremdenverkehr"

Skifahren wurde zum Mode­sport. Überall entstanden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts neue Skiclubs. Schon 1891/92 war ein Eisenbahn-Projekt auf den Feldberg angedacht worden. Etwaige Bedenken wurden laut der lokalen Rundschau von Seiten der Feldberg­gemeinde „dadurch beseitigt, daß der Schneeschuhsport dem Feldberg in diesem Winter einen solchen ungeahnten Fremdenverkehr zuführte, daß die Interessenten einen bedeutend gesteigerten Jahresverkehr in Aussicht nehmen“. 

Man sah sich also auf dem richtigen Weg zu einem regen Winter-­Tourismus: Das Angebot in der Region vergrößerte sich und man bot Skikurse für Urlauber von außerhalb an. Das lohnte sich offenbar schon damals. Auch im Alltag zeigte der Skisport Nutzen: Bereits 1893 wurden etwa die Postboten im Schwarzwald mit Skiern ausgestattet. Langlaufskier kannte man noch nicht. Man nutzte die Bretter multi­funktional für Abfahren, Langlauf und Schneewanderungen.

Skihose braucht’s nicht …

Auch Wintersportbekleidung war bis in die 1950er Jahre noch nicht für jeden erschwinglich – aber auch nicht wichtig. Statt einer Skihose taten es auch eine umgenähte Uniformhose, Trainingshosen oder Keilhosen. Letztere waren in der Regel aus Wolle, imprägniert und mit einem verstellbaren Rundbund und einem Gummisteg am Beinabschluss versehen. 

Dazu trug man einen Wende-­Anorak und eine Pudelmütze. Statt eines Helms saßen warme, sportliche Strickmützen auf dem Kopf.  Auch Skischuhe waren nicht die Regel. Man behalf sich mit knöchelhohen Schnürschuhen, die man an den Skiern befestigte. 

Das Wort „Ski“ übrigens wurde im 19. Jahrhundert aus dem Norwegischen entlehnt. „Ski“ bedeutet dort „Scheit“ (gespaltenes Holz) oder „Schneeschuhe“. Irene Krauß

29.01.2021 - Historisches , Sport