Die Bundesregierung hat in der vergangenen Woche neue Einreisebeschränkungen verhängt. Die Sorge, dass Reisende aus besonders betroffenen Ländern das mutierte Virus im Gepäck haben, ist groß. Besonders stark bemerkbar machen sich die Folgen solcher Maßnahmen im weltweiten Kampf gegen die Pandemie dort, wo sich sonst täglich die Wege hunderttausender Reisender kreuzen: am Flughafen. Der katholische Flughafenseelsorger in München, Franz Kohlhuber, berichtet im Interview über seine ungewöhnlichen Arbeitsbedingungen in der Krise.
Herr Kohlhuber, seit bald einem Jahr leidet die Luftfahrt und damit auch der Betrieb am Flughafen unter den weltweiten Folgen der Pandemie. Die Fluggastzahlen sind so stark eingebrochen wie noch nie. Haben Sie sich schon ein bisschen von dem Schrecken erholt?
Es ist eigentlich jeden Tag wieder ein neues Erleben, den Flughafen so ganz, ganz leer zu sehen. Ich sitze vor meinem PC und schaue auf das Hintergrundbild – ein Foto vom Terminal 1. Darauf sieht man die unterirdischen Rollbänder auf der ganzen Länge des Terminals: Sie sind menschenleer. In Bereichen, wo man sonst aufpasst, nicht mit anderen Leuten zusammenzustoßen, ist einfach niemand – ein gewöhnungsbedürftiger Anblick! Es ist alles irgendwie – mein Lieblingswort von 2020 – „surreal“.
Wir haben uns auf die Situation eingestellt. Aber es ist nach wie vor ganz, ganz seltsam. Wir haben nun mit weniger Passagieren Kontakt, dafür verstärkt mit Mitarbeitern. Das ist sonst nicht unsere Schwerpunktaufgabe.
Über die Weihnachtspost habe ich letztes Jahr versucht, mit den Menschen wenigstens auf brieflichem Weg wieder in Kontakt zu kommen. Wir haben über 350 Menschen angeschrieben, um zu signalisieren: Wir sind da. Auch wenn ihr nicht da seid, weil ihr in Kurzarbeit seid. Wir sind da und ihr könnt uns erreichen.
Wir versuchen auch, jeden Tag am Flughafen präsent zu sein. Meine Kollegen fangen um halb acht an. Ich komme dann später und bin bis um 18 Uhr präsent. Wir gehen viel herum, treffen Menschen und kommen mit ihnen ins Gespräch.
Auch die Christophorus-Kapelle ist offen. Wir haben sie in der ganzen Zeit nie geschlossen. Wir haben immer geschaut, dass sie ansprechend hergerichtet ist. Phasenweise haben wir Musik drin laufen und die Osterkerze brennen lassen. Einfach, damit die Menschen da einen Rückzugsort haben. Und der wurde Tag und Nacht genutzt. Das sieht man an den Kerzen, die dort brennen, und an den Einträgen im Anliegenbuch.
Normalerweise ist rund um Weihnachten eine Hochphase der Reisezeit im Winter. Waren die gut 200 000 Passagiere für diese Zeit ein Hoffnungsschimmer – oder überwiegt am Flughafen weiterhin die Krisenstimmung?
Also das war absehbar, dass an Weihnachten ein bisschen mehr Menschen fliegen, um die Familie zu besuchen. Manche Menschen sagen auch, ich brauch jetzt einfach Urlaub.
Ich glaube nicht, dass uns das irgendwie aus der Krisenstimmung herausgeholfen hat. Wir hatten ja im letzten Jahr, lange vor Weihnachten, einen Rückgang der Fluggastzahlen und der Starts und Landungen um 99 Prozent. Das war der Höhepunkt der Krise Mitte des Jahres. Jetzt merkt man, dass es sich ein bisschen erholt. Aber auf der großen Anzeigentafel im Terminal sind nur eineinhalb Spalten gefüllt, der Rest der Tafel ist schwarz. Wir sind da nach wie vor in einem Krisenmodus. Das Terminal 1 ist weiterhin komplett gesperrt, wahrscheinlich bis Ende April. Es wird also alles über das Terminal 2 abgefertigt. Auch unser drittes, das „Satellitenterminal“, ist seit März, April komplett vom Netz.
Am deutlichsten wird das auf dem Rollband im Unterbereich des Terminals, das die vier Abflugmodule verbindet. Man kann wirklich dort stehen und hat vor und hinter sich auf der gesamten Länge keinen einzigen Menschen.