Namenstag der heiligen Juliana

Kirche, Gasthof und Waschsalon

Im nordspanischen Santillana del Mar begann die Ortsgeschichte vor etwa 1500 Jahren – mit der Verehrung von Reliquien der heiligen Juliana von Nikodemia. Ihr Gedenktag ist am 16. Februar.

Kopfsteingepflasterte Gassen, lauschige Plätzchen und Winkel, Blumenbalkone und vor allem die romanische Stiftskirche und deren Kreuzgang mit meisterhaft skulptierten Kapitellen – Santillana del Mar zählt zu den schönsten Steinorten Spaniens. Der Ortsname leitet sich von Santa Juliana ab, jener Heiligen, die laut Überlieferung Anfang des vierten Jahrhunderts während der Christenverfolgungen standhaft in ihrem Glauben blieb und ihr Martyrium in Nikomedia in der heutigen Türkei erlitt.

Ihr Gedenktag ist der 16. Februar – feierlich begangen wird er in Santillana del Mar aber erst am 28. Juni. Den Grund kennt der Direktor der Stiftskirche, Agustín García: „Das hat mit der Jahreszeit und den Pilgern auf dem Küstenjakobsweg nach Santiago de Compostela zu tun.“ Sie sollten den Tag der Heiligen während eines klimatisch besseren Monats feiern. „Das ist schon seit Jahrhunderten so.“

Die Heilige hat dafür gesorgt, dass der 1000-Einwohner-Ort vielen als Pilgerziel ein Begriff ist. 60 000 Besucher kommen jedes Jahr allein in die Stiftskirche, was aber nur einem Teil der Gesamtbesucherzahl in Santillana del Mar entspricht. Vor allem Spanier suchen den pittoresken Ort mit den Reliquien der heiligen Ju­liana auf.

Frühe Verehrung

Auf welch verworrenen Wegen Julianas Reliquien den spanischen Norden – genauer: das Küstenhinterland des Golfs von Biskaya in Kantabrien – erreichten, verliert sich im Dunkel zwischen Legende und Geschichte. Feststeht, dass die Verehrung ihrer Reliquien im heutigen Santillana del Mar im sechsten Jahrhundert begann. „Es gab eine erste winzige Kapelle“, erklärt Agustín García. Im achten Jahrhundert bauten Benediktiner ihr zu Ehren ein präromanisches Kirchlein.

Dies war die Keimzelle der Colegiata, der romanischen Stiftskirche, auf die bis heute alle Fäden zulaufen. Ab dem Spätmittelalter stieg die Siedlung zum Sitz des Landadels auf, der trutzige, wappenverzierte Herrenhäuser als Statussymbole pflegte. Dies erklärt den weltlichen Zulauf in diesem denkmalgeschützten Gesamtkunstwerk, in dem es ganz schön wimmelig zugehen kann. Die Souvenirkultur mit Kulinaria aus der Gegend blüht: Besonders beliebt sind Sardellen und Wildschweinwurst.

Auch im Profanen ist die heilige Juliana vertreten. Nach ihr sind ein Gasthof und ein Waschsalon benannt. Hoch in der Hauptfassade der Stiftskirche ist sie in einer Nische als Skulptur zugegen: triumphierend über den Teufel, der ihr zu Füßen an einer schweren Kette liegt.

Der Zugang in den Sakralkomplex führt durch den Umweg eines Seitengässchens. Passiert man die Tür hinter einem düsteren Vorraum, wird man schier überwältigt. Plötzlich findet man sich in einem der prächtigsten Kreuzgänge Spaniens wieder – einem Juwel der Romanik mit gedrungenen Doppelsäulen und Kapitellen, die ihresgleichen suchen. Höhepunkt ist die Südgalerie mit einer faszinierenden, detailverliebten Flut an Motiv­miniaturen: der von Aposteln und Evangelistensymbolen umgebene Pantokrator – der Weltenherrscher – in der Mandorla, Daniel in der Löwengrube, die Taufe Christi, die Kreuzabnahme, die Enthauptung Johannes des Täufers.

Mittendrin finden sich auch weltliche Motive. Da nimmt ein Ritter hoch zu Ross Abschied von seiner Herzensdame, die eine Blume in Händen hält. Da durchbohrt ein Krieger mit seinem Schwert eine auf den Hinterbeinen stehende Bestie, aus der nun die Innereien quellen.

Fesselnde Wirkung

Sieht man bei manchen Kapi­tellen genau hin, entdeckt man Moosgrün in den Ritzen. Regen und die Salzluft des nahen Atlantiks erschweren den Erhalt der steinernen Kunst. Beim Eintritt vom Kreuzgang in die Kirche spürt man die Feuchte. Die Temperatur sackt ab, doch der Raum verfehlt seine Wirkung nicht. Er berührt, fesselt mit der Symmetrie seiner Bögen, einer fast archaischen Aura, der gedämpften Ausleuchtung. In der Höhe fällt spärliches Licht durch Alabasterfenster. Der golden glänzende Hochaltar bezeugt den Übergang zwischen Spätgotik und Renaissance.

Zentraler Blickfang ist der Reliquienschrein, eine wappenverzierte kleine Truhe weit über Kopfhöhe. Darüber sieht man ein Bildnis der sitzenden Heiligen, wieder darüber ein Relief von Mariä Himmelfahrt, ganz oben unter dem Gewölbe Christus am Kreuz. Welche Reliquien Julianas der Schrein enthält, kann auch Agustín García nicht sagen und belässt es bei „Staub und Reste von kleinen Knochen“.

Andreas Drouve

16.02.2019 - Ausland , Heilige , Kunst