Im „Krieg“ mit Präsident Duterte

Nicht mehr ohne Leibwächter

Der philippinische Bischof Pablo Virgilio Siongco David von Kalookan erhält für seinen Einsatz für Drogensüchtige Unterstützung vom Papst. Diese hat ihm Franziskus beim Ad-limina-Besuch vorige Woche zugesagt. Im Interview mit unserer Zeitung berichtet Bischof David von dem Gespräch mit dem Papst, vom Drogenkrieg der philippinischen Regierung und von Todesdrohungen, die er erhalten hat.

Bischof David, Sie waren beim Papst und haben von der schwierigen Lage in Ihrem Bistum erzählt. Wie hat der Papst Ihren Bericht aufgenommen?

Ich muss ehrlicherweise zugeben, dass wir als Kirche in einem mehrheitlich katholischen Land versagt haben. Versagt darin, die Köpfe und Herzen der Menschen so zu bilden, dass es selbstverständlich ist, Menschen in Not beizustehen. Doch wir sind nun mal da, wo wir sind, und müssen realistisch sein. Ich musste weinen, als der Heilige Vater mir seine Unterstützung zusicherte. Das hat mich sehr bewegt und berührt.

Sie beziehen sich auf den sogenannten Drogenkrieg, den die Regierung von Präsident Rodrigo Duterte auf den Philippinen führt. Wie kam es, dass Sie sich gegen die Regierung wandten?

Ungefähr zu der Zeit, als ich 2016 mein Bischofsamt aufnehmen sollte, kam Duterte an die Macht und führte den Kampf gegen Drogendealer ein. Mich persönlich hat eine der ersten Begräbnisfeiern sehr berührt. Ein behindertes Kind war zur falschen Zeit am falschen Ort und wurde von den Sicherheitskräften bei einer dieser Razzien getötet. Der Junge war unschuldig und hatte nichts mit den Drogenverkäufern zu tun. Er lebte bei der Großmutter. Sein Vater war einige Zeit zuvor an Krebs gestorben und die Mutter war deswegen hochverschuldet und musste im Ausland arbeiten, um die Schulden zu bezahlen. Als ich ihre Tränen sah, wurde mir bewusst, dass es beim Drogenkrieg nicht um Zahlen oder Statistiken geht, sondern um Menschen.

Sie haben sich seither nicht gescheut, die Regierung direkt und ohne Umschweife zu kritisieren.

Die Regierung hat uns vorgeworfen, Komplizen der Drogenverkäufer zu sein. Das hat dazu geführt, dass unsere Leben in Gefahr gebracht wurden. Ich habe in jüngster Zeit viele Todesdrohungen erhalten. Aber ich bin mit meinem Gewissen im Reinen, weil ich weiß, dass das, was ich tue, im Sinne von Papst Franziskus ist. Als Hirten sollen wir zu den Rändern unserer Gesellschaft gehen und für die Menschen da sein. Denn selbst wenn jemand drogenabhängig ist, so bleibt er ein Mensch!

Was sagte Ihnen der Papst?

Er sagte mir, er hoffe, dass Gott mir weiterhin das Herz eines Hirten bewahre. Das war mehr als ein Trost für mich, denn für mich persönlich waren die vergangenen Wochen eine schwierige Zeit. Die Todesdrohungen, die ich erhalten habe, haben mich sehr stark aufgewühlt. Der Erzbischof von Manila, Kardinal Tagle, hat mir zum Glück einige Leibwächter organisiert, denn die Drohungen waren schockierend für mich.

Wie helfen Sie den Drogenabhängigen?

Wir arbeiten mit Familienangehörigen von Drogenabhängigen und den Betroffenen selber zusammen. Es geht darum, dass sie sich nicht alleine fühlen und eine professionelle Begleitung erhalten. Vor allem ist es wichtig, dass die Wahrheit ausgesprochen wird: Es gibt Menschen, die drogenabhängig sind, und es gibt Philippinos, die unschuldig getötet werden. Davor dürfen wir nicht die Augen schließen.

Wie konnte es so weit kommen?

Ich denke, dass eines der größten Probleme in unserem Land darin besteht, dass der Gebrauch von Drogen als krimineller Akt betrachtet wird. Das Ganze wird kriminalisiert. Doch Abhängigkeit ist eine Krankheit, und zwar eine psychische Krankheit. Es ist mir bewusst, dass eine Regierung den Auftrag hat, gegen Kriminalität vorzugehen. Aber das kann doch nicht auf Kosten von Menschenleben geschehen!

Interview: Mario Galgano