Zum 3. Dezember

Papst fordert: Barrieren abbauen

Rund 20 Prozent der Bevölkerung sind durch eine Behinderung im Alltag beeinträchtigt, die meisten im Bereich der Sinnesorgane. Zum Welttag der behinderten Menschen am 3. Dezember hat Papst Franziskus ein verstärktes Engagement für Betroffene auch innerhalb der Kirche gefordert. Eine Möglichkeit zur Unterstützung bietet die Hör- und Sehbehindertenseelsorge.

„Es ist nicht zu vermeiden, dass Menschen, die wenig oder gar nicht hören können, im Alltag auf zahlreiche Schwierigkeiten stoßen“, erklärte Papst Franziskus. „Aber es ist nicht in Ordnung, dass sie – wie auch andere Menschen mit Einschränkungen und ihre Familien – häufig Vorurteilen ausgesetzt sind, manchmal sogar in der christlichen Gemeinschaft.“ 

Franziskus beklagte, dass selbst Kirchengemeinden Hörgeschädigte und Menschen mit Behinderungen manchmal an den Rand drängen. „Ich rufe die Städte, Dörfer und Pfarreien dazu auf, bei ihren Dienstleistungen immer mehr Barrieren abzubauen.“

Mehr als rollstuhlgerecht

Caroline Aumann, Gemeindereferentin bei der Sehbehindertenseelsorge des Bistums Augsburg, hat Papst Franziskus zusammen mit einer Gruppe persönlich im Vatikan getroffen – und ist ebenso überzeugt: „Wir müssen noch viel mehr Barrieren abbauen. Barrierefrei bedeutet jedoch mehr als ein rollstuhlgerechter Eingang.“ 

Barrierefrei bedeute auch, im Sinne der Inklusion Texte für sehbehinderte Menschen aufzubereiten, Aufzüge sprechen zu lassen, Induk-tionsschleifen für Menschen mit Hörbehinderung zur Verfügung zu halten und Blindenleitsysteme einzuplanen. Auch die leichte Sprache gehöre dazu oder Gebärden- und Schriftdolmetscher für Menschen mit kognitiven Einschränkungen.

„In der Blindenseelsorge möchte ich Räume des unkomplizierten Miteinanders schaffen, wo sich Menschen willkommen fühlen, Gastfreundschaft genießen dürfen, wo sich die Herzen der Menschen öffnen in besonderen Lebenslagen“, erklärt Aumann. 

Lebenswelt von Blinden schwer vorstellbar

„Als Sehende können wir uns nur schwer vorstellen, wie blinde Menschen die Welt wahrnehmen. Nur im Miteinander und Ausprobieren erfahren wir von deren Lebenswelt“, erklärt Aumann. „Gerne nehme ich an einem ‚Dunkelcafé‘ teil, besuche Führungen mit Dunkelbrillen und lerne seit einiger Zeit die Brailleschrift.“ Ziel der Blinden- und Sehbehindertenseelsorge sei es, die Teilhabe am Gemeindeleben zu ermöglichen.

„Außerordentlich wichtig sind für mich die Vernetzung und der Dialog mit Organisationen wie dem Katholischen Blindenwerk in Augsburg, dessen Seelsorgerin ich bin, mit der Evangelischen Blindenseelsorge, dem Blindenbund und der Selbsthilfevereinigung Pro Retina“, sagt Aumann. „Regelmäßiger Austausch mit Kollegen im Seelsorgeamt und im Bereich spirituelle Dienste ebenso wie mit den Kollegen in der Blindenseelsorge aus anderen Bistümern bereichern meinen Dienst.“

„Wadenbeißer“ sein

Für einen Abbau der Barrieren setzt sich auch Reinhold Pölsler von der Gehörlosenseelsorge Lienz im Bistum Innsbruck ein: „Wir wollen Fürsprecher sein, für die Betroffenen und die Betreuer, für das religiöse und einbindende Gemeindeleben“, erklärt Pölsler, der selbst an einer Hörbeeinträchtigung leidet, und zitiert das Leitbild der Gehörlosenseelsorge: „Wir wollen kritische Beobachtende und Impulsgebende – manchmal auch ‚Wadenbeißer‘ – in der Gesellschaft sein, die unermüdlich auf Defizite und Diskriminierungen hinweisen.“ 

Zu den wesentlichen Aufgaben der Gehörlosenseelsorge gehört die Begleitung von Seelsorgern, Pfarrern und Laien, die Ermöglichung von Vernetzungen sowie die Weitergabe von Wissen, indem sich die Mitarbeiter selbst an dem neuesten Stand orientieren und Bildungsangebote für Gemeindeentwicklung bereitstellen.

Seelsorge auch für mehrfach sinnesbeeinträchtigte Menschen

In anderen Diözesen sind die Blinden- und die Gehörlosenseelsorge zusammengelegt. So hat die evangelische Landeskirche Hannover zur Inklusion mehrfach sinnesbeeinträchtigter Menschen eine Taubblindenseelsorge eingerichtet. Diese unterstützt und fördert taubblinde wie auch hör- und sehbehinderte Menschen in ihren besonderen Bedürfnissen, insbesondere in der Kommunikation mit anderen Menschen. Sie stellt für taubblinde Menschen eine große Hürde dar. Hierzu gibt es verschiedene Sprachen: vor allem das Lormen, das Fingern und die Gebärdensprache. 

„Inklusion ist eines meiner Herzensthemen“, bekennt die Augsburger Gemeindereferentin Aumann. Allerdings: „Inklusion kann man nicht machen. Sie muss wachsen. Eine Menge haben wir schon geschafft, doch es ist Aufgabe, die Inklusion in der Kirche weiter voranzutreiben.“

Michael Link