Auftragsmord im „Königreich im Himmel“

Regierungschef unter Verdacht

Lesotho nennt sich wegen seiner Lage stolz das „Königreich im Himmel“. Auf einem von hunderten Hügeln, die die Hauptstadt Maseru säumen, wird 2017 eine Frau aus nächster Nähe erschossen. Zwei Tage später wird ihr Ehemann als Ministerpräsident des afrikanischen Königreichs vereidigt. Nun deuten neue Indizien auf einen Auftragsmord hin. Der Regierungschef kündigte nun seinen Rücktritt an. Und die neue First Lady ist auf der Flucht. 

Lesotho zählt zwei Millionen Einwohner. Knapp 60 Prozent davon leben in Armut. Strategisch für die meisten Staaten unbedeutend, konzentriert sich die Zusammenarbeit weitgehend auf Entwicklungshilfe. Wichtigste Einnahmequelle sind Touristen aus Südafrika, von dessen Territorium Lesotho vollständig umgeben ist. Viele seiner Bergdörfer sind ohne fließendes Wasser und nur über Schlammpisten erreichbar. 

Mörderischer Politthriller

All das hinderte Lesothos Politik nicht daran, seit der Unabhängigkeit von Großbritannien Politthriller zu schreiben, die die besten Krimiautoren alt aussehen lassen. In den vergangenen 54 Jahren lieferten sich Armee und Polizei immer wieder Kämpfe um die Vormacht, wurden ranghohe Militärs ermordet und mussten ausländische Friedens-truppen intervenieren. 1998 entsandte Südafrika Soldaten in das Königreich, um nach einem Putsch die Ordnung wiederherzustellen.

Jetzt wird in Lesotho an einem neuen Politthriller geschrieben. Hauptdarsteller sind Ministerpräsident Tom Thabane und seine dritte Ehefrau Maesiah. Thabane diente bereits von 2012 bis 2015 als Regierungschef, musste während eines versuchten Armeeputschs kurzfristig fliehen und wurde 2017 wiedergewählt. 

Seine Amtseinführung vor zweieinhalb Jahren wurde überschattet von der Nachricht vom Tod seiner zweiten Ehefrau Lipolelo. Lokale Medien beschrieben das Verhältnis der beiden als zerstritten. Fünf Jahre lang hätten sie in Scheidung gelebt, ehe ein Schuss den Rosenkrieg jäh beendete. 

Nun gab es im Mordfall neue Entwicklungen. So sollen Telefonaufzeichnungen beweisen, dass vom Tatort aus ein Anruf an eine Nummer getätigt wurde, die auf den Premierminister angemeldet sei. Die Ermittler forderten Thabane auf, den Anrufer bekanntzugeben, der zum Zeitpunkt des Anschlags offenbar am Tatort war. 

Unterdessen fahndet Lesothos Polizei nach Maesiah Thabane, die der Premier kurz nach dem Mord an seiner früheren Frau heiratete. Die First Lady sollte in der Mordsache vor Gericht aussagen, tauchte jedoch unter. „Sie darf einfach nicht über dem Gesetz stehen. Wir wollen, dass sie zurückkommt und vor Gericht erscheint“, sagte der Regierungssprecher Thesele Maseribane. Spekulationen zufolge habe sie sich an der Seite ihres 80-jährigen Ehemanns in der offiziellen Residenz des Regierungschefs verschanzt. 

Nach langem Schweigen zog Thabane vergangene Woche endlich die Konsequenzen: Er habe Berichten zufolge den König und sein Kabinett über seinen bevorstehenden Rücktritt informiert. Aktivisten und die Opposition hatten zuvor vehement gefordert, Thabane müsse sein Amt zur Verfügung stellen. Auch der Druck aus der eigenen Partei, der „All Basotho Convention“ (ABC), war zuletzt gestiegen. 

Vize-Parteichef Nqosa Mahao betonte: „Der Regierungschef ist der Wächter über die Rechtsstaatlichkeit. Jetzt ist er Verdächtiger in einem ernsten Verbrechen. Er muss unverzüglich abtreten.“ Die Koalition, die Thabane vor drei Jahren zum Regierungschef machte, betrachtet ihn nun als „Gefahr für die Nation“.

Markus Schönherr

21.01.2020 - Afrika , Kriminalität , Politik