Als Max Klinger am 4. Juli 1920, vor genau 100 Jahren, friedlich entschlafen war, wurde der Maler und Bildhauer auf seinen Wunsch hin in bester Lage bestattet: in seinem Weinberg. Zu Lebzeiten war der 1857 in Leipzig geborene Sohn eines Seifenfabrikanten so erfolgreich wie umstritten.
Das Leipziger Museum der bildenden Künste hütet die weltweit größte Sammlung seiner Werke und ehrt ihn nun mit einer großen Gedächtnisschau. Eine weitere Sonderausstellung ist ihm im Naumburger Stadtteil Großjena, am Ort seiner Bestattung, gewidmet. Sie informiert über die Umstände der Beerdigung sowie die Entstehung und Bedeutung der Grabanlage.
Den Steilhang, auf dem noch heute Wein angebaut wird, erwarb Klinger 1903. Den obenauf stehenden Schafstall ließ er sich zum komfortablen Atelierhaus ausbauen. In ihm läuft die Sonderschau. Sie wartet mit Kunstwerken, historischen Fotografien und einem für die Kino-Wochenschau von der Trauerfeier gedrehten Film auf.
Prominente Trauergäste
Klinger war eine Berühmtheit. An seiner Trauerfeier nahmen prominente Vertreter aus Kunst, Literatur und Wissenschaft teil. Zur seiner Universalerbin machte Klinger Gertrud Bock (1893 bis 1932). Sie saß ihm zunächst Modell, war später seine Haushälterin und Geliebte. Nachdem er 1919 einen Schlaganfall erlitten hatte, heiratete er sie. Sie war es, die die Ausnahmegenehmigung erwirkte, dass Klinger im Weinberg seine letzte Ruhe fand.
Vom Atelierhaus sind es wenige Meter zu der schmalen Treppe, die auf den mit Sandsteinplatten ausgelegten halbkreisförmigen Begräbnisplatz führt. In der Mitte befindet sich eine leicht gewölbte Steinplatte, die das Grab überdeckt. Am Kopfende kniet auf steinernem Postament die leicht überlebensgroße Figur eines nackten Athleten. Er scheint mit der erhobenen Rechten einen unsichtbaren Gegner abzuwehren.
Kampf der Geschlechter
Klinger modellierte die Figur 1901. Für sie posierte der damals berühmte Athlet Lionel Strongfort. Zwei Jahre später gesellte Klinger dem Gipsmodell eine nackte Ringerin mit den Gesichtszügen seiner Lebensgefährtin Elsa Asenijeff hinzu. In diesem „Kampf der Geschlechter“ – neben der Auseinandersetzung mit dem Tod ein Leitmotiv in Klingers Kunst – ist die Frau überlegen.
Vom Grabplateau aus kann man in der Ferne die Türme des Naumburger Doms sehen – ein eindrucksvoller Gedenkort für einen Künstler, dessen Schaffen bis heute provoziert. Warum das so ist, kann man im Leipziger Museum der bildenden Künste erleben. Im Blickpunkt der Gedächtnisschau stehen Klingers Arbeitsaufenthalte in Paris und Rom und die 46 Radierungen des selten gezeigten grafischen Zyklus „Zelt“.