Durch die Sonntagsruhe“, verkündete Papst Johannes Paul II. Ende des vorigen Jahrtausends, „können die täglichen Sorgen und Aufgaben wieder ihre richtige Dimension erlangen: Die materiellen Dinge, über die wir uns erregen, machen den Werten des Geistes Platz; die Menschen, mit denen wir leben, nehmen in der Begegnung und im ruhigeren Gespräch wieder ihr wahres Gesicht an.“
Und weiter: „Selbst die Schönheiten der Natur – oft genug von einer Herrschermentalität, die sich gegen den Menschen wendet, verdorben – können wiederentdeckt und intensiv genossen werden. Der Sonntag als ein Tag, an dem der Mensch mit Gott, mit sich selber und mit seinen Mitmenschen Frieden schließt, wird so zur Einladung für den Menschen, einen erneuerten Blick auf die Wunderwerke der Natur zu werfen und sich von jener wunderbaren und geheimnisvollen Harmonie einbinden zu lassen.“
Freizeit-Wochenende statt Besinnungs-Alternative
Für die katholische Kirche ist die vor 1700 Jahren vom römischen Kaiser Konstantin ausgerufene Sonntagsruhe noch immer ein „Band der Einheit und des Friedens“. So drückte es der in Trier geborene heilige Ambrosius aus, einer der wichtigsten Kirchenlehrer der Antike. Ein Band allerdings, das seine Reißfestigkeit zunehmend verliert. Längst nämlich ist das reine Freizeit-Wochenende zur sonntäglichen Besinnungs-Alternative geworden.
Auch die Kirche weiß um diesen Gegensatz. Allerdings ist sie überzeugt, dass der christliche Sonntag mehr als ein Vergnügen ist. Vielmehr sei er eine Zeit, um Frieden zu stiften und für andere da zu sein. Die Mahnung der Kirche, den Sonntag ganz in christlicher Nächstenliebe zu gestalten, korrespondiert mit dem Schwinden des arbeitsfreien Sonntags. Für Hunderte Millionen Menschen auf der Welt ist der Sonntagsjob inzwischen Alltag, vor allem in den von zunehmender Freizeit profitierenden Gewerben wie Gastronomie und Tourismus, aber auch bei Ärzten und Pflegern, Polizei, Feuerwehr und anderen öffentlichen Dienstleistern. Und beim Heer derer, die dafür sorgen, dass Maschinen nicht zum Stillstand kommen.
Bis weit in die Neuzeit war das alles kein Problem, zumal die erste Sonntagsregelung noch die Landwirtschaft von der christlich motivierten Arbeitsruhe ausgenommen hatte. Mit der Industrialisierung änderten sich die Voraussetzungen. Jetzt galt es, den Sonntag den neuen Arbeitsbedingungen anzupassen. Nur vereinzelt schränkten sogenannte Fabrikgesetze wie 1877 in der Schweiz die Sonntagsarbeit ein. Erst Ende des 19. Jahrhunderts brachte Kaiser Wilhelm II. mit seiner Gewerbeordnungsnovelle ein bisschen Ruhe in die Sonntagsgestaltung, etwa mit der Begrenzung der Ladenöffnungszeiten.
Bindend für die Welt
Es war die katholische Kirche, die 1917 das Gebot der Sonntagsruhe erstmals bindend für die ganze Welt in ihren Codex Iuris Canonici (CIC) aufnahm, der ein Jahr später in Kraft trat. 1919 schrieb die Weimarer Reichsverfassung den Sonntag und alle staatlichen Feiertage als „Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“ fest und stellte sie unter gesetzlichen Schutz.