Altarweihe am 28. April

Unterwegs zur Schmerzhaften Mutter

TELGTE – Schon seit Hunderten von Jahren kommen Menschen zum Gnadenbild der Schmerzhaften Mutter von Telgte, um Trost und Kraft im Gebet zu finden und die Fürsprache der Muttergottes in schwierigen Lebenslagen zu erbitten. Rund 100 000 Gläubige zieht es pro Wallfahrtssaison in das beschauliche Städtchen vor den Toren Münsters. Am Samstag, 28. April, wird die Wallfahrtssaison mit einer Altarweihe durch Münsters Bischof Felix Genn eröffnet.

Dass der Andrang auch heute noch anhält, liegt für Propst Michael Langenfeld von der Telgter Gemeinde St. Marien zum einen an der langen Tradition der Wallfahrt: „Unsere Hauptwallfahrtsgruppen sind ganz traditionelle, teileweise vor 350 Jahren gegründete Fußwallfahrten“, sagt Langenfeld. Diese seien so fest in den Gemeinden verwurzelt, dass sie Telgte ein sehr treues Stammpublikum bescheren. 

Ergreifende Darstellung

Zum anderen sieht der Geistliche die Anziehungskraft der Telgter Wallfahrt im besonderen Charakter des Gnadenbildes begründet: Die aus Pappelholz geschnitzte Pietà, mutmaßlich um 1370 entstanden, zeigt eine Gottesmutter, die den Leichnam ihres toten Sohnes auf dem Schoß hält und in tiefer Trauer versunken ist – eine harte, ergreifende Darstellung. Sie spreche in ihrer Kompromisslosigkeit all jene an, die von persönlichen Schwierigkeiten betroffen sind, etwa von Krankheit oder Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen. 

„Solche Gefühle sind in der Familie oder am Arbeitsplatz nicht immer willkommen“, meint Langenfeld. „In Telgte finden die Menschen einen Ort, an den sie damit gehen können.“ Die Patina des Gnadenbilds, geschwärzt vom Ruß, lasse die Beter spüren, dass sie in einer ganz langen Tradition von Menschen stehen, die dort gebetet und ihre Kerzen angezündet haben. Zahllose Votivgaben und Danksagungen zeugen davon, dass die Gebete oft erhört wurden.

Um in Telgte Kraft zu schöpfen, bedarf es aber keiner existenziellen Lebenskrise: Für die Teilnehmer der traditionellen Fußwallfahrten stehe oft das Gemeinschaftserlebnis in Verbindung mit der körperlichen Herausforderung im Vordergrund, weiß Langenfeld: „Sie schätzen das Erlebnis, von einer großen Gemeinschaft mitgetragen zu werden.“ 

Traditions­veranstaltungen wie die Osnabrücker Wallfahrt, mit weit über 10 000 Teilnehmern die größte deutsche Fußwallfahrt, ziehen inzwischen vermehrt auch Jugendliche an. Deutlich jüngeren Ursprungs, aber auch sehr beliebt, ist die Kutschen-Wallfahrt an Christi Himmelfahrt, die im pferdesportbegeisterten Münsterland nahezu Volksfestcharakter hat.

Der münsterische Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen genehmigte 1651 die erste große Wallfahrt nach Telgte. 1654 legte er den Grundstein für eine neue Wallfahrtskapelle. Ab 1701 erhöhte sich die Zahl der Wallfahrten beträchtlich, als Fürstbischof Friedrich Christian von Plettenberg bestehende Wallfahrten des Münsterlandes von Kevelaer nach Telgte umlenkte. Viele dieser traditionellen Wallfahrten bestehen bis heute fort. 

Zu den prominentesten Telgte-Pilgern gehört Clemens August Kardinal von Galen. Der „Löwe von Münster“ legte auch als Bischof regelmäßig die 14 Kilometer von der Domstadt nach Telgte zu Fuß zurück, um am Gnadenbild zu beten. „Hier hat er sich die Kraft für seinen Widerstand geholt“, ist Propst Langenfeld überzeugt. Die enge Verbindung von Galens zu Telgte kommt auch darin zum Ausdruck, dass eine Fingerreliquie des Seligen in der Gnadenkapelle verwahrt wird.

Während der Wallfahrtssaison, die in diesem Jahr unter dem Katholikentagsmotto „Suche Frieden!“ steht, bringen nahezu täglich Busse Besuchergruppen nach Telgte. Zuletzt machten sich auch vermehrt Einzelpilger auf den Weg – ein Trend, der für die künftige Ausrichtung der Wallfahrtsgemeinde eine seelsorgerische Herausforderung mit sich bringt, sagt Langenfeld:  „Wir überlegen, wie wir diese Menschen noch besser willkommen heißen können.“

Ohnehin scheint es, als stelle sich Telgte gerade für die Zukunft neu auf: Die Gnadenkapelle wurde jüngst umfassend renoviert und wird an diesem Samstag zum Beginn der Wallfahrtssaison mit einer Altarweihe durch Münsters Bischof Felix Genn wiedereröffnet. Die Wallfahrtskirche St. Clemens, die das Gnadenbild während der Renovierungszeit beherbergt hat, soll künftig stärker ins Wallfahrtsgeschehen einbezogen werden.

Für den Propst sind das sinnvolle Investitionen in die Zukunft. Denn Pilgern und Wallfahren, davon ist Michael Langenfeld überzeugt, hat nach wie vor eine starke Daseinsberechtigung: „Viele Menschen fühlen sich heute wie in einem Hamsterrad und brauchen einen gewissen Ausstieg, um ihr Leben klarer zu überdenken.“ 

Umso mehr freut sich der Pfarrer darüber, dass eine Wallfahrt nach Telgte mit ins Programm des Katholikentages aufgenommen wurde: Am Samstag, 12. Mai, geht es um 9 Uhr von Münster aus los. Um 14 Uhr wird in Telgte eine Pilgermesse mit Bischof Genn gefeiert.

Kay Müller

27.04.2018 - Deutschland , Heilige , Wallfahrt