Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland …

Und (fast) überall Birnbäume

Am 6. Juni jährt sich der Todestag Hans Georg von Ribbecks zum 260. Mal. In der Literatur unsterblich machte ihn der Schriftsteller Theodor Fontane in seiner Ballade „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“. 

Vor 130 Jahren dichtete Fontane seine Verse über einen spendablen Gutsbesitzer: „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland /Ein Birnbaum in seinem Garten stand“. Dessen Früchte verschenkte der Herr stets an die Kinder, liest man. Nach seinem Tod fürchteten sie, nun leer auszugehen, da der Sohn geizig war. Aber Ribbeck hatte vorgesorgt und sich eine Birne ins Grab legen lassen. Ein paar Jahre später „wölbte sich ein Birnbaum über dem Grab“.

Baumstumpf in der Kirche

Der legendäre Birnbaum existiert nicht mehr. Er fiel einem Sturm zum Opfer. Nur der verbliebene Stumpf erinnert noch an ihn. Als Zeichen seiner besonderen Bedeutung hat man ihm ein Eckchen in der Kirche von Ribbeck gewidmet. Zu Recht, darf man sagen – ist der Birnbaum doch in die Literaturgeschichte eingegangen. 

Fontane, dessen 200. Geburtstag in diesem Jahr vor allem in Brandenburg begangen wird, hatte in der Ballade eine Erzählung aus dem 18. Jahrhundert verarbeitet. Ort und Familie existieren tatsächlich – bis heute. Ribbeck liegt rund 30 Kilometer westlich von Berlin-Spandau. Im Dorf haben sich nach der Wende wieder Nachfahren des alten Rittergeschlechts derer von Ribbeck angesiedelt. Birnbäume gibt es dort nun in Hülle und Fülle. Anders als im Gedicht sind aber keine Stimmen aus den Bäumen zu vernehmen. 

Vor der kleinen Kirche auf dem Dorfanger steht am historischen Platz ein Nachfolger des berühmten Baums. Ein paar Schritte entfernt zieht das ehemalige Herrenhaus der von Ribbecks, das hier alle Schloss nennen, die Blicke auf sich. Fontane, so er denn überhaupt je in dem Örtchen im Havelland gewesen sein sollte, kann der neobarocke Prachtbau nicht als Vorlage für sein „Doppeldachhaus“ aus dem Gedicht gedient haben. Der einstige Familiensitz wurde erst 1893 fertiggestellt. 

Heute wird das vor zehn Jahren restaurierte Schloss multifunktional genutzt. Hier finden Ausstellungen und Konzerte statt. Am 1. Mai wurde ein neues Fontane-Museum eröffnet. Im Eingang erwartet die Besucher schon lange eine Büste des Dichters. Im Park wachsen mittlerweile 16 junge Birnbäume, Schenkungen aus allen Bundesländern. Thüringen etwa hat eine „Nordhäuser Winterforelle“ beigesteuert – wohlgemerkt eine Birnensorte. 

Auch am Birnen-Dorf Ribbeck ist die deutsche Geschichte nicht spurlos vorübergegangen. 1943 wurde das Schloss beschlagnahmt, der letzte Gutsherr, Hans von Ribbeck, ein Hitler-Gegner, wurde 1945 im Konzentrationslager Sachsenhausen ermordet. Ein Gedenkstein erinnert auf dem kleinen Familienfriedhof an ihn. 

In der DDR enteignet

Aus der DDR wurden die von Ribbecks, deren Wurzeln sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen lassen, wie alle Gutsfamilien ausgewiesen. Nach der Wende fehlten schriftliche Unterlagen über die Enteignung. So musste die Familie auf ihr Herrenhaus verzichten, wurde aber finanziell entschädigt. Da private Investoren nicht zugreifen wollten, wurde das marode Haus vom Landkreis saniert, der es bis heute führt. 

Trotz des traurigen Zustands, in dem sich sein Geburtsort nach dem Mauerfall präsentierte, wollte Friedrich-Carl von Ribbeck zurück. Vor 20 Jahren kaufte der Enkel Hans von Ribbecks den alten Kutschpferdestall sowie die ungenutzte Brennerei und kehrte dem Westen den Rücken. In der „Alten Brennerei“ werden seitdem Brände, Liköre und vor allem die samtig-säuerlichen Essige produziert. Eine Hauptrolle spielt dabei – wen wundert,s – die Birne. 

Auch andere historische Gebäude sind wiederbelebt, etwa die „Alte Schule“. Man kann sie nicht verfehlen, trotzdem sei die Adresse verraten: Am Birnbaum 3. Im ehemaligen Wohnzimmer des Lehrers liegen statt Speisekarten Schulhefte mit der Aufschrift „Schulspeisung“. Nebenan lädt das komplett eingerichtete Klassenzimmer zur Zeitreise. Das „Alte Waschhaus“ der Familie von Ribbeck empfängt seine Gäste heute mit Café und Hofladen. Mehrere Varianten selbstgebackener Birnentorten gehören zum Standardangebot. Birnen-Menüs oder ein Birnenfrühstück werden dagegen nur nach Voranmeldung serviert. 

„Die Landschaft aber, die diese Dörfer umgibt, bietet wenig Besonderes dar“, meinte Theodor Fontane. Da wird ihm der heutige Radfahrer, der auf dem Havelland-Weg ohne Ampeln und Autos etwa von Nauen nach Ribbeck fährt, wohl widersprechen. Die stille Landschaft ist wie geschaffen zum Durchatmen. 

So gesehen haben die letzten Verse der Fontane-Ballade für die Bewohner und die Besucher des Dorfes Ribbeck noch immer Gültigkeit: „So spendet Segen noch immer die Hand / Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.“

Ulrich Traub

Information

Mehr zum Thema lesen Sie im Internet unter www.schlossribbeck.dewww.alteschule-ribbeck.de sowie unter www.vonribbeck.de.  

Das Land Brandenburg ehrt Theodor Fontane anlässlich seines 200. Geburtstags mit einem Jubiläumsjahr. Das Programm im Internet: www.fontane-200.de 

06.06.2019 - Deutschland , Kultur