Hinrichtungen vor 80 Jahren

"Weiße Rose": Mitglieder handelten aus dem Glauben

Wenn ein verbrecherisches System an der Macht ist, reicht es nicht, wenn sich nur das Gewissen auflehnt. Für die Mitglieder der „Weißen Rose“, deren Hinrichtung sich dieser Tage zum 80. Mal jährt, war klar, dass ein aktives Handeln nötig ist: Widerstand. Dieser Antrieb kam bei Hans und Sophie Scholl, ­Alexander Schmorell, Kurt Huber, Christoph Probst und Willi Graf aus dem christlichen Glauben.

Initiator der Widerstandsgruppe war Hans Scholl. Den symbolträchtigen Namen wählte er wohl nicht nur, weil er den in Mexiko spielenden Indianer-Roman „Die Weiße Rose“ von B. Traven schätzte, sondern auch, weil jene Blume in der Symbolsprache für Unschuld und Treue steht. Vielleicht bedachte der Marienverehrer Hans Scholl auch, dass die Muttergottes als „mystische Rose“ bezeichnet wird und zu Füßen mancher Mariendarstellung weiße Rosen zu finden sind.

Maria, Rose der Höh’

Scholls Werke der Marien-Lyrik, die der evangelische Pfarrer Robert Zoske dem Vergessen entriss, sind beachtenswert – erst recht für einen lutherisch erzogenen jungen Mann. Am 12. Mai 1938 schrieb Hans: „Maria – Königin, du Starke – du tief in Gott verschmolzene Rose der Höh’, lass uns dich grüßen. So wie wir dich erahnen in unseren engen Bahnen voll Erdentand, so wie uns Gott dich gläsernes Gefäß, dich zarten, zerbrechlichen Kristall legt in die Hand.“

Als für die freiheitsliebenden und fest im christlichen Glauben verwurzelten Studenten Sophie und Hans Scholl die Vollstreckung der Todesstrafe bevorstand, überlegten sie ernsthaft, sich durch den katholischen Gefängnispfarrer vorbereiten zu lassen – obwohl sie protestantisch getauft waren. Sie meinten, dass sie nicht durch einen Geistlichen, „der nazistisch ist“, auf den Tod vorbereiten werden wollten. 

Für die Sakramente der katholischen Kirche hätten sie sich freilich rasch für die Konversion zum Katholizismus aussprechen müssen. Dazu kam es aber nicht mehr. So wurden die Geschwister durch den evangelischen Gefängnispfarrer Karl Alt in den Tod begleitet. Auf Hans’ Wunsch hin betete er mit ihm das Hohelied der Liebe und den 90. Psalm. Sodann bekam er das Abendmahl gereicht, das er in seinem letzten Brief an die Eltern „das Heilige Sakrament“ nannte.

Ein großer Trost

Seine tiefe Religiosität, die ihm gerade in seinen letzten irdischen Stunden ein großer Trost war, beruhte wohl auf ergreifenden Kirchgängen mit seinen Mitverschwörern. So nahm ihn ­Alexander Schmorell in russisch-orthodoxe Gottesdienste mit und der zweifache Vater Kurt Huber in die Heiligen Messen. ­Schmorell und Huber starben am 13. Juli 1943 unterm Fallbeil. 

Musikwissenschaftler Huber war Professor an der Universität München. Vor Gericht verteidigte er standhaft seine sittlichen Grundsätze und damit die Ablehnung der NS-Ideologie. Während der Zeit zwischen dem Todesurteil durch Richter Roland Freisler und der Urteilsvollstreckung meditierte und betete er. Seine katholischen Überzeugungen kommen in seinem letzten Brief zum Ausdruck, den er an seine Frau und die Kinder richtete.

„Stell Dich mit den Kinderlein unter das Kreuz, alles andere wird Euch hundert- und tausendfach werden. Und seid stolz, daß Ihr Euren Anteil tragt im Kampf um ein neues Deutschland“, schrieb Huber. „Herr, o Herr, ich bin bereit, reis’ an Deiner Freundeshand fröhlich in die Ewigkeit! Segne unser deutsches Vaterland, segne Frau und Kinder mein, tröste sie in aller Pein, schenk den Liebsten Du hienieden Deiner Liebe Gottesfrieden!“ 

Zusammen mit den Geschwistern Scholl starb am 22. Februar 1943 Christoph Probst. Bis kurz vor seinem Tod war der Medizinstudent konfessionslos. Seine Eltern meinten, dass sich die Kinder später selbst ihre Religion aussuchen sollten. Bei der Verhaftung Hans Scholls fand die Gestapo einen letzten Flugblatt­entwurf, der nicht Hans’ Schriftbild entsprach. Die gleiche Handschrift fand man auf Briefen, die Probst als Verfasser auswiesen. 

Nach dem Todesurteil auch für ihn bat der dreifache Familien­vater um einen Priester, um sich nun, nachdem er sich schon länger mit dem Christentum auseinandergesetzt hatte, taufen zu lassen. Er wollte als Katholik ins Himmelreich eingehen. Zwischen seinem Todesurteil und der Vollstreckung lagen nur wenige Stunden, so dass seine Frau sogar erst nach der Hinrichtung von seiner Verurteilung erfuhr. 

Ein einziger Weg zu Gott

Da der Gefängnispfarrer erkrankt war, spendete der Münchner Kaplan Heinrich Sperr dem 23-Jährigen das Sakrament der Taufe. Nun durfte Probst die Kommunion empfangen. In seinem letzten Brief an die Mutter schrieb er: „Ich danke Dir, dass Du mir das Leben gegeben hast. Wenn ich es recht bedenke, so war es ein einziger Weg zu Gott.“ 

Zwei Tage, nachdem das Fallbeil in München-Stadelheim Probst zur Anschauung Gottes brachte, fand die Beerdigung auf dem in der Nähe gelegenen Friedhof am Perlacher Forst statt. Bei seiner Beisetzung trug Kaplan Sperr nicht die übliche Liturgiefarbe schwarz, sondern weiß-gold, um zu betonen, dass Probst in der Taufunschuld gestorben war.        Elmar Lübbers-Paal

17.02.2023 - Gedenken , NS-Zeit , Widerstand