Zum Weltkrebstag am 4. Februar

Wer reich ist, darf weiterleben

KAPSTADT – Aller Armut und Kriminalität zum Trotz ist Südafrika weltweit für medizinische Spitzenforschung bekannt. In der Kaprepublik fand die erste Herztransplantation statt. Auch die Computertomographie wurde hier erfunden. Zuletzt gaben Mediziner durch neue Entdeckungen auch Krebs-Patienten wieder Hoffnung – zumindest den Wohlhabenden unter ihnen. Alle anderen haben oft keinen Zugriff auf die teuren Medikamente. 

Kurz vor dem Weltkrebstag am 4. Februar hätte die Nachricht für Betroffene im südlichen Afrika nicht passender kommen können: Ein Pharmakonzern kooperiert mit Südafrikas Regierung und der Universität Kapstadt, um ein neues Krebsmedikament auf den Markt zu bringen. „Dass wir hier eine lokale Technik in Studien testen, ist eine großartige Entwicklung und zeugt von dem Fortschritt in diesem medizinischen Bereich, der so viele Menschen weltweit bedroht“, sagt der Präsident von BGM Pharma, Martin Magwaza. 

Neues Krebsmittel

Ein weiterer Hoffnungsschimmer ist saftgrün und trägt Blätter wie Federn: Der Kraalbos (Weidenbusch) wächst ausschließlich in Südafrika und Namibia. Während Schafe und Kühe an seinem Giftsaft sterben, könnte der Strauch vielleicht das Geheimnis für ein neues Krebsmittel enthalten: „Im Labor stellten wir fest, dass er sehr effektiv Brust- und Hautkrebs-Zellen bekämpft“, sagt Burtram Fielding, Professor für Molekularbiologie an der Universität Westkap. 

Allerdings: Wie fast überall im Gesundheitssektor der jungen Nation trifft auch in der Krebstherapie die Theorie auf eine desaströse Realität. Südafrikas Menschenrechtskommission prangerte zuletzt an, dass Patienten bis zu acht Monate auf eine Krebstherapie warten müssen. Daneben birgt die Behandlung mit Kosten von bis zu 70 000 Euro große finanzielle Risiken – und das in dem Land, das laut Weltbank die ungerechteste Einkommensverteilung der Welt verzeichnet. 

Trotz des Aufschwungs gilt mehr als die Hälfte der Südafrikaner als arm. Im staatlichen Gesundheitssystem bleibt sie von einer effektiven Behandlung weitgehend ausgeschlossen. Tausenden Menschen droht ein frühzeitiger Tod – nicht zuletzt wegen der Patentrechte der Pharma-Großkonzerne. Selbst der Warnruf von „Ärzte ohne Grenzen“ konnte die Unternehmen nicht dazu bewegen, ihren eisernen Griff um die Präparate zu lockern.

„Ich werde sterben“, wusste Thobeka Daki. Nachdem Ärzte 2013 bei ihr Brustkrebs diagnostiziert hatten, entwickelte sich die zweifache Mutter aus einem Township zu Südafrikas bekanntester Gesundheitsaktivistin. Vor einem Jahr erlag sie ihrer Krankheit. Sie starb mit dem Wissen, dass eine Arznei ihre Überlebenschancen um ein Drittel gesteigert hätte: Hercep­tin vom Pharma-Riesen Roche ist am südafrikanischen Markt erhältlich. Doch eine Jahresbehandlung kostet eine halbe Million Rand (etwa 33 000 Euro). Für den Großteil der Südafrikaner bleibt dies unerschwinglich. Und das öffentliche Gesundheitssystem weigert sich, dafür zu zahlen.

„Thobeka wurde die Chance auf ein längeres Leben vorenthalten“, sagt Lotti Rutter. Die Sprecherin der „Treatment Action Campaign“ (TAC) sieht den Tod ihrer Mitstreiterin nicht als Einzelfall. Vielmehr sei er ein tägliches Schicksal in Südafrika. Deshalb kämpft ihre Organisation gemeinsam mit den „Ärzten ohne Grenzen“ dafür, den Markt für günstigere Krebsmedikamente zu öffnen. 

„Es gibt keinerlei Rechtfertigung für diese hohen Preise“, ist Rutter sicher. „Laut einer Studie kostet die Entwicklung von Krebsmedikamenten im Schnitt 648 Millionen US-Dollar. Der mittlere Umsatz aber liegt bei 1,6 Milliarden. Es ist gewissenlos, dass Konzerne wie Roche profitieren, indem sie auf hohe Preise und geringe Verbreitung setzen, während durch das gegenteilige Gesundheitsmodell tausende Leben gerettet werden könnten.“ 

Im vergangenen Jahr konnten die Aktivisten einen Etappensieg verbuchen. Erstmalig leitete Südafrikas Wettbewerbskommission Untersuchungen gegen führende Pharmakonzerne ein, weil sie Missbrauch und eine exzessive Preispolitik vermutete. Die Ermittlungen gegen Aspen wurden aus Mangel an Beweisen eingestellt. Weiter im Fadenkreuz haben die Ermittler Pfizer und Roche. 

„Der Wettbewerb wird dazu beitragen, Krebsmedikamente leistbarer zu machen“, hofft Natalie Schellack, Pharmazeutin und Universitätsdozentin in Pretoria. Es ist dringend nötig. „Ganz viele Finanzmittel fließen in die Forschung, um diese schreckliche Krankheit zu heilen“, sagt Schellack. „Dem Großteil der Weltbevölkerung nützt dies  aber nichts.“

Markus Schönherr

02.02.2018 - Ausland , Gesundheit