Das Christkind in der ärmlichen Krippe im Heiligen Land? Diese Geschichte, der kirchliche Kern des Weihnachtsfests, bleibt in den USA immer häufiger außen vor. Christmas – das Wort ist verwandt mit der deutschen Christmette – ist zum Selbstläufer geworden. Der Emotions- und Geschenke-Parcours funktioniert auch ohne den religiösen Hintergrund.
Er genügt sich selbst mit seinem Kommerz, den wild blinkenden Lichterketten, buntverpackten Geschenken in der Socke am Kamin, dem heißen Punsch, festlichen Truthahn-Dinner – quasi der Fortsetzung von „Thanksgiving“ – und dem rot-weißen Santa Claus mit Rentieren und Coca-Cola-Truck, der kaum noch als der gute alte Heilige aus Europa, der Nikolaus, zu erkennen ist.
Schon ab Oktober läuft das Programm
Und dann gibt es da jene schnulzigen „Sweet Christmas Romances“ (etwa: weihnachtliche Liebesgeschichten), die der darauf spezialisierte Kabelsender Hallmark Channel in den USA und in Kanada auf den heimischen Flachbildfernseher liefert. Mit seinem „Countdown to Christmas“ wartete er in diesem Jahr nicht einmal mehr das US-Gruselfest Halloween ab, sondern startete sein Weihnachtsfilm-Programm schon im Oktober.
Weihnachten im Hallmark Channel
Im vierten Quartal avanciert der Hallmark Channel regelmäßig zum beliebtesten Sender für Frauen zwischen 25 und 54 Jahren. Fast drei Monate lang kann sich Frau (und Mann) nun allabendlich weihnachtliche Seligkeit zu Gemüt führen und attraktiven Menschen beim Feiern des Christfests zusehen. In diesem Jahr zeigt der Spartensender nicht weniger als 40 neue, vorwiegend eigenproduzierte „Weihnachtsfilme“.
Einsamer Farmer, heldenhafter Cowboy, verzauberte Winterlandschaft
Meist sind die Liebesgeschichten in einem von mehreren winterlich verschneiten, romantischen Sehnsuchtsorten angesiedelt: irgendwo in Montana, Colorado, Vermont oder in den Blue Ridge Mountains im Osten der USA. Die erwartungsfrohe Zuschauerin braucht diese Traumkulisse offenbar – und dazu den tüchtigen, aber einsamen Farmer oder den heldenhaften Cowboy, dem die Protagonistin -in der verzauberten Schneelandschaft begegnen kann.
Die adrette Lady schmilzt dahin
Wenn die adrette Business-Lady auf High-Heels durch knietiefen Schnee stapft, bis ein gut gebauter Holzfäller sie in seine muskulösen Arme nimmt und sie vor seinem knisternden Kaminfeuer auf ein weiches Bärenfell bettet, kommt bei den Zuschauerinnen winterliche Wohlfühl-Stimmung auf. Bald wird die besagte Touristin zum schmelzenden Eis in der Hand des attraktiven Waldläufers.
Wachsender Zweig
In einer Sozialwohnung im Betongrau der Vorstadt würde so eine „Sweet Christmas Romance“ nicht funktionieren. Eine erotische Komponente dagegen darf mitunter nicht fehlen. Und so handelt die Geschichte dann zum Beispiel von der attraktiven Krankenschwester während einer ruhigen Nachtschicht. In den USA sind solche „Christmas Romances“ auch in Buchform ein enorm wachsender Zweig am Weihnachtsbaum.
Schnee in Schaumform
Für die Dreharbeiten zum Weihnachtskino muss nicht einmal mehr in entlegene Bergregionen gefahren werden. Spezialisierte Techniker in den Filmcrews sind längst zu wahren Schneekünstlern geworden: Sie sprühen zauberhafteste Winterlandschaften in Schaumform aus dem Schlauch des Tankwagens auf die Locations. Den Rest erledigt die Postproduktion am Computer.
So musste voriges Jahr für den Film „Last Vermont Christmas“ gar nicht in erst der besagte Bundesstaat in Neuengland, im Nordosten der USA, besucht werden: Die Geschichte um die Marvin-Schwestern konnte dank der Filmtricks in Rhinebeck und Kingston im Tal des Hudson River nahe New York gefilmt werden.