Experimente mit Schweinen

Wirklich den Tod überwunden?

Es waren geradezu sensationelle Meldungen, die in der Karwoche durch die Presse gingen: Von „wiederbelebten“ Gehirnzellen war da die Rede. Und davon, dass amerikanische Forscher Schweinehirne ohne Körper „am Leben erhalten“ hätten. „Ist der Tod umkehrbar?“, titelten Medien. Worum es den Wissenschaftlern ging und warum die Ergebnisse gar nicht so spektakulär sind, macht Klinikseelsorger Klaus Schäfer SAC in seiner Analyse deutlich:

Nenad Sestan von der Yale School of Medicine in New Haven (USA) und sein Team holten sich vom Schlachthof 300 Schweineköpfe, legten ihre Gehirne frei und schlossen 32 Gehirne vier Stunden nach dem Tod der Tiere an ein spezielles Gerät an. Dabei wurden die Gehirne mit synthetischem Blut versorgt, angereichert mit Sauerstoff und Medikamenten, die den Sterbeprozess der Gehirnzellen verlangsamen oder umkehren sollten. 

Dieses regenerierende synthetische Blut wurde den Schweinehirnen sechs Stunden lang verabreicht. Die Forscher stellten danach fest, dass einige Synapsen wieder funktionierten. Auch zeigte das Gehirn normale Reaktionen auf Medikamentengabe. Die Gehirne verbrauchten so viel Sauerstoff wie ein gesundes Gehirn. Wurden damit die Gehirne wieder zum Leben erweckt, wie es die Schlagzeilen angeben?

Neurowissenschaftler Sestan betont selbst, von einer Wiederbelebung der Gehirne könne nicht gesprochen werden: „Zu keinem Zeitpunkt haben wir die Art der organisierten globalen elektrischen Aktivität beobachtet, die mit Bewusstsein, Wahrnehmung oder anderen Hirnfunktionen höherer Ordnung verbunden ist.“

Sestan und seine Kollegen wandeln auf den Spuren des ukrainisch-russischen Reanimationsforschers Wladimir Negowski. In den 1940er Jahren stellte dieser fest, dass man einen Menschen erfolgreich reanimieren kann, solange das Gehirn noch funktioniert. Wie Negowski will auch Sestan die Grenzen der Medizin ermitteln. 

Die Ergebnisse dieser Forschung werden womöglich segensreich in die Behandlung von Patienten mit Schlaganfall und längerem Kreislaufstillstand einfließen. Vielleicht muss in Zukunft auch die Hirntoddiagnostik den neuen Behandlungsmöglichkeiten angepasst werden. Der Tod – auch der Hirntod – kann jedoch mit dieser Methode nicht aufgehoben werden. Der Tod bleibt auch weiterhin der Preis und das Ende allen Lebens.

Experten relativieren daher die Euphorie um die Yale-Studie und ihre Ergebnisse. Dag Moskopp, Chefarzt an der Vivantes-Klinik für Neurochirurgie in Berlin, meint: „Man kann von diesen Ergebnissen ausgehend nicht die Brücke zu einer Hirntod-Debatte schlagen.“

Hirnforscherin Tara Spires-Jones, Professorin an der Universität Edinburgh, betont, die Experimente von Sestan und seinen Kollegen belegten „eine vorübergehende Erhaltung einiger der grundlegenderen Zellfunktionen im Schweinehirn“. Es gehe nicht um „die Erhaltung von Denken und Persönlichkeit“.

Ebenso kommentiert der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock: „Das Hirntodkrite­rium grundsätzlich in Frage zu stellen, scheint mir nach gegenwärtigem Kenntnisstand nicht richtig zu sein. Denn es zielte ja nie auf die zelluläre, sondern die funktional-systemische Ebene.“

30.04.2019 - Ethik , Tiere , Wissenschaft