Abtreibungsprozess

Ärztin Kristina Hänel scheitert in Berufungsverfahren

Das Landgericht Gießen hat die Verurteilung der Ärztin Kristina Hänel wegen unerlaubter Werbung für Abtreibungen bestätigt. Das Landgericht verwarf am Freitag die Berufung Hänels gegen das Urteil des Amtsgerichts Gießen, das die Allgemeinmedizinerin im November 2017 wegen Verstoßes gegen den entsprechenden Paragrafen 219a zu einer Geldstrafe von rund 6.000 Euro verurteilt hatte. Sie hatte auf ihrer Homepage darauf hingewiesen, auch Schwangerschaftsabbrüche anzubieten. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Entgegen der Verhandlung vor dem Amtsgericht herrschte in der Hauptverhandlung nach Gerichtsangaben zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung Einigkeit, dass die Angeklagte durch ihren Internetauftritt entgegen Paragraf 219a im Strafgesetzbuch öffentlich den Schwangerschaftsabbruch angeboten hat. Die Verteidigung habe die Auffassung vorgetragen, dieses Verbot sei verfassungswidrig, da sie die Angeklagte in ihrer Berufsausübungs- und Meinungsfreiheit unverhältnismäßig verletze. Dem folgte die Kammer jedoch nicht, sondern betonte, dass es in einem Rechtsstaat nicht Aufgabe der Gerichte sei, eigenes politisches Ermessen an die Stelle des Gesetzgebers zu setzen.

Zahlreiche Politiker sprachen sich am Freitag für eine Reform des Paragrafen 219a aus. Bundesfrauenministerin Franziska Giffey (SPD) forderte: "Wir müssen die gute Arbeit von Ärztinnen und Ärzten entkriminalisieren und ihnen Rechtssicherheit geben". Für Frauen sei eine mögliche Abtreibung "eine extreme Ausnahmesituation", sodass sie Beratung, Information und Unterstützung bräuchten. "Das darf man ihnen nicht verwehren. Das Recht auf Information, nicht auf Werbung, ist elementar."

Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Ulle Schauws, forderte: "219a muss raus aus dem StGB - und zwar so schnell wie möglich." Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Paragraphen äußerten auch die frauenpolitische Sprecherin der Linke-Bundestagsfraktion, Cornelia Möhring, und der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner.

In der kommenden Woche befasst sich der Bundestag nach der vorläufigen Tagesordnung mit Anträgen von Grünen und Linken zur Streichung und der FDP zur Reform des Paragrafen. Die Bundesregierung hatte sich darauf verständigt, dass das Justizministerium einen Änderungsvorschlag vorlegen soll. Gegen eine Streichung des Paragrafen sind die Unionsparteien und die katholische Kirche.

Paragraf 219a im Strafgesetzbuch untersagt "das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen" von Abtreibungen aus finanziellem Vorteil heraus oder wenn dies in "grob anstößiger Weise" geschieht. Er soll verhindern, einen Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit als normale ärztliche Leistung darzustellen und zu kommerzialisieren. Hänel hatte angekündigt, notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.

Ein allgemeines Informationsdefizit gibt es aus Sicht der katholischen Kirche nicht, denn der Paragraf verbiete als Werbung nur die öffentliche Information über Schwangerschaftsabbrüche durch denjenigen, der damit sein Einkommen oder einen Teil seines Einkommens erzielt. Informationen durch neutrale Organisationen, im persönlichen Gespräch mit dem Arzt und in der gesetzlich vorgeschriebenen Konfliktberatung seien dagegen nicht verboten.

KNA

12.10.2018 - Deutschland , Ethik , Politik