"Verstößt nicht gegen Grundgesetz"

Bundesverfassungsgericht würdigt Masern-Impfpflicht

Die Masern-Impfpflicht verstößt nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht gegen das Grundgesetz. Der Erste Senat entschied am Donnerstag, dass die Vorgabe aber nur dann gelte, wenn genügend Impfstoff zur Verfügung stehe, der allein gegen Masern schützt und nicht - wie üblich - gleichzeitig auch gegen Mumps, Röteln oder Windpocken. Geklagt hatten vier Eltern und ihre Kinder. Sie machten unverhältnismäßige Eingriffe in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit geltend.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach von einer guten Nachricht für Eltern und Kinder. "Eine Masernerkrankung ist lebensgefährlich – für die Erkrankten und ihr Umfeld. Es ist deshalb Aufgabe des Staates, Infektionen in Gemeinschaftseinrichtungen wie KiTa oder Schule zu vermeiden", erklärte er.

Eine uneingeschränkte Impfpflicht bei Masern wurde 2019 vom Bundestag beschlossen; sie gilt vollständig seit 1. August 2022. Kinder und Beschäftigte in Schulen und Kitas, aber auch in Flüchtlingsunterkünften, Arztpraxen und Krankenhäusern müssen seitdem gegen die Infektionskrankheit geschützt sein. Ein entsprechender Nachweis muss vorgelegt werden. 

Der Erste Senat entschied, die Regelung sei "im verfassungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig". Die Annahme, Menschen ohne Impfschutz könnten andere gefährden, "beruht auf zuverlässigen Grundlagen und hält auch der strengen verfassungsrechtlichen Prüfung stand".

Der Gesetzgeber hat mit der Regelung laut Gericht den möglichen Folgen gefährdeter Menschen bei einer Masernerkrankung den Vorrang vor den Interessen der Kinder und Eltern eingeräumt, die gegen eine Impfung sind. Die Richter sehen als Grund den "Gemeinwohlbelang von hohem Rang". Denn Kinder hätten "typischerweise Kontakte zu besonders schutzwürdigen Personen, die eine hohe altersspezifische Inzidenz für Masern sowie eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit aufweisen, im Falle einer Maserninfizierung Komplikationen auszubilden".

Für die Pflicht sprächen die hohe Übertragungsfähigkeit und Ansteckungsgefahr sowie das Risiko, als Spätfolge der Masern eine für gewöhnlich tödlich verlaufende Krankheit erleiden zu können: "Demgegenüber treten bei einer Impfung nahezu immer nur milde Symptome und Nebenwirkungen auf", so der Beschluss wörtlich. Ein echter Impfschaden sei extrem unwahrscheinlich. Deshalb komme "dem Eingriff in das Elternrecht insoweit kein besonders hohes Gewicht zu".

Der Bundestag hatte die Impfpflicht 2019 beschlossen. Seit 1. März 2020 griff sie für Neuaufnahmen von mindestens ein Jahr alten Kindern in Kitas und Schulen. In einer zweiten Stufe mussten dann bis 31. Juli 2022 auch für Jungen und Mädchen Impfnachweise - oder bei Genesung von Masern ärztliche Atteste - vorgelegt werden, die am 1. März 2020 schon in den Einrichtungen waren. Nichtgeimpfte Kinder können vom Kita-Besuch ausgeschlossen werden. An Schulen geht dies wegen der Schulpflicht nicht. Verhängt werden können am Ende aber Bußgelder bis zu 2.500 Euro.

In Deutschland kommt es immer wieder zu Masernausbrüchen, da weniger als 95 Prozent der Bevölkerung geimpft sind. Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass sich die Masern nicht ausbreiten können, wenn mehr als 95 Prozent der Bürger eine Immunität gegen Masern durch Impfung oder durch eine durchgemachte Erkrankung haben.

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt eine erste Impfung als Masern-Mumps-Röteln-Kombinationsimpfung (MMR) im Alter von 11 bis 14 Monaten. Eine zweite Impfung sollte im Alter von 15 bis 23 Monaten erfolgen. Für Erwachsene empfiehlt die STIKO eine Impfung gegen Masern für alle, die nach 1970 geboren wurden und noch gar nicht oder nur einmal in der Kindheit gegen Masern geimpft wurden oder deren Impfstatus unklar ist.

KNA

18.08.2022 - Deutschland , Impfung , Kinder