"In erheblichem Maße selbst zu verantworten"

Bischöfe reagieren betroffen auf Kirchenaustrittszahlen

Die Bischöfe haben mit Betroffenheit auf die jüngsten Zahlen zu Kirchenaustritten reagiert. "Es ist nichts schönzureden", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, am Montag in Bonn. "Es mehren sich Rückmeldungen, dass Menschen diesen Schritt gehen, die bisher in den Pfarreien sehr engagiert waren", sagte Bätzing weiter. Die Zahlen spiegelten auch die Skandale wider, "die wir innerkirchlich zu beklagen und in erheblichem Maße selbst zu verantworten haben", fügte der Bischof von Limburg hinzu.

Laut Angaben der Bischofskonferenz kehrten im vergangenen Jahr 359.338 Katholiken ihrer Kirche den Rücken. Damit wurde der bisherige Höchstwert aus dem Jahr 2019 deutlich übertroffen, als knapp 273.000 Katholiken austraten. Die Mitgliederzahl sank damit auf 21.645.875; das entspricht rund 26 Prozent der Bevölkerung.

"Die Erschütterung durch das Bekanntwerden sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche ist groß", sagte der Hamburger Erzbischof Stefan Heße. "Für viele Menschen war dies wohl der Anlass, unsere Kirche zu verlassen. Dennoch halte ich es für das einzig Richtige, den Weg der Prävention und Aufarbeitung weiterzugehen." Auch der Münsteraner Bischof Felix Genn sieht vor allem "gravierende Fehler kirchlicher Verantwortungsträger im Umgang mit sexuellem Missbrauch" als Grund für die Austrittswelle.

Offenbar sei die Kirche für viele nicht mehr die erste Anlaufstelle auf der Suche nach Gott, sagte der Freiburger Erzbischof Stephan Burger. Sein Bamberger Amtsbruder Ludwig Schick nannte die Zahlen "traurig und bitter, aber leider erwartbar". Er fügte hinzu: "Ausgetretene sind nicht abgeschrieben! Wir möchten Kontakt zu ihnen halten, sie sind uns wichtig. Die Tür bleibt offen."

Ähnlich äußerte sich der Bischof von Augsburg, Bertram Meier: "Jeder Mensch, der geht, ist ein Verlust für unsere Gemeinschaft." Der Würzburger Bischof Franz Jung, sagte, er sei wie viele Katholiken "verärgert und enttäuscht über das problembeladene Bild, das wir als Kirche abgeben - in Deutschland, im Vatikan und in der Weltkirche." Es dürfe niemanden verwundern, "dass derzeit viele Menschen der Kirche das Vertrauen entziehen und auch unserem guten Tun die Zustimmung versagen".

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf sagte, die katholische Kirche in Deutschland werde sich sehr stark verändern und kleiner werden. Er gebe die Hoffnung nicht auf, dass trotz vieler Fehler "die Strahlkraft" gelebten Christseins weiterhin in der Gesellschaft wirke.

Die Zahlen täten "einfach sehr, sehr weh", sagte der Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst. Zu diesem Fazit kam auch der Bischof von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers. "Umso mehr danke ich allen, die trotz aller Fragen, Zweifel und berechtigten Kritik nach wie vor zu ihrer Kirche stehen und Mitglied bleiben."

Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke riet der Kirche zu Bescheidenheit und Demut, "damit wir die befreiende Botschaft Jesu überzeugend verkünden können". Der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer nannte es beunruhigend, "dass nicht nur wenig gläubige Menschen, sondern zuweilen auch sehr gläubige Menschen austreten". Es gelte, diesen Menschen zuzuhören, ihre Kritik ernst zu nehmen und nicht als "Zeitgeist-Gerede" abzutun. "Unsere Kirche muss sich dieser Situation mit offenen Augen stellen - und ich denke, dass sie das auch tut. Der bisherige Verlauf des Synodalen Wegs der katholischen Kirche in Deutschland macht mich zuversichtlich, dass wir in unseren Reformbemühungen wirklich vorankommen werden."

Keine Äußerungen gab es vom Münchner Kardinal Reinhard Marx und vom Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. Hier kommentierten, wie in einigen anderen Bistümern auch, die Generalvikare die Statistik.

KNA

28.06.2022 - Bischöfe , Glaubensleben , Kirche