Zustimmungs- oder Widerspruchslösung?

Bundestag debattiert über Neuregelung der Organspende

Der Bundestag hat am Mittwoch erstmals über eine grundlegende Neuregelung der Organspende diskutiert. Dem Parlament liegen zwei Gesetzesentwürfe vor, die jeweils von Abgeordneten verschiedener Parteien unterstützt werden und beide darauf abzielen, die Zahl der Organspenden zu erhöhen. Dazu schlagen sie allerdings unterschiedliche Wege vor.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach (SPD) wollen die Einführung einer Widerspruchslösung. Danach ist jeder ein potenzieller Organspender, der nicht zu Lebzeiten widersprochen hat. Der Widerspruch soll in einem Register dokumentiert werden. Angehörige haben kein eigenes Mitbestimmungsrecht, es sei denn, sie können glaubhaft machen, dass der Betroffene kein Spender sein wollte.

Der Alternativentwurf der Gruppe um die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock, die Linken-Chefin Katja Kipping und die CDU-Gesundheitsexpertin Karin Maag setzt weiter auf die ausdrückliche Zustimmung. Die Bürger sollen regelmäßig befragt und durch den Hausarzt beraten werden. Sie können ihre Entscheidung in einem bundesweiten Register eintragen.

Weitgehend einig waren sich die Redner darin, dass angesichts von derzeit knapp 10.000 Menschen auf der Warteliste der Gesetzgeber gefragt sei. In der Debatte bezweifelten mehrere Abgeordnete die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs zur Widerspruchslösung. Entscheiden will der Bundestag im Herbst.

Baerbock bewertete die Widerspruchslösung als „unverhältnismäßigen Eingriff“ in das Selbstbestimmungsrecht. Zudem stehe sie im Widerspruch zur verfassungsrechtlich verbürgten körperlichen Unversehrtheit. Auch verlange die Rechtskultur bei solchen zentralen Fragen eine ausdrückliche Zustimmung. Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) mahnte, der Staat dürfe „aus einem Akt der freiwilligen Solidarität keinen Pflichtakt machen“. Auch Maag unterstrich, dass die Organspende weder vom Staat erzwungen noch von der Gesellschaft erwartet werden könne.

Demgegenüber sagte Spahn, alle bisherigen Anstrengungen für mehr Organspender hätten „nichts gebracht“, deshalb sei ein weiterer Schritt nötig. Die Freiheit der Bürger werde durch die Widerspruchslösung nicht eingeschränkt. Angesichts der Herausforderung gebe es eine Pflicht, sich mit dem Thema zu befassen.

Georg Nüßlein (CSU) äußerte die Überzeugung, dass die Widerspruchslösung die Chance erhöhe, „dass ein Hirntoter als Organspender identifiziert“ werde. SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach nannte sie „ethisch geboten“. Da die Mehrheit der Bürger bereit sei, ein Organ zu spenden, handle es sich um die richtige Lösung. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit werde nicht missachtet, da jeder widersprechen könne.

Zur Aussprache stand auch ein Antrag der AfD-Fraktion, die die Widerspruchslösung als Zwang ablehnt. Sie forderte eine staatliche Verantwortlichkeit für Organspenden, um mögliche lukrative Interessen privater Akteure auszuschließen.

KNA

27.06.2019 - Deutschland , Gesundheit , Politik