"Einseitige Schlussfolgerungen"

Caritas-Chef zu Gewaltstudie: Pauschale Urteile helfen nicht

Caritas-Präsident Peter Neher hat mit Blick auf die Studie zu Kriminalität bei jungen Flüchtlingen vor pauschalen Urteilen gewarnt. „Mir scheint, dass in der öffentlichen Diskussion häufig einseitige Schlussfolgerungen gezogen werden, entweder Verharmlosung und Realitätsverweigerung oder Fremdenhass und maßlose Übertreibung“, sagte Neher am Donnerstag auf Anfrage in Berlin. „Damit kommen wir nicht weiter.“

Die Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums hatte ergeben, dass es vor allem durch junge und männliche Flüchtlinge zwischen 2014 und 2016 zu einem spürbaren Anstieg von Gewalttaten gekommen ist. Analysiert wurde die Lage in Niedersachsen.

Neher plädierte in diesem Zusammenhang dafür, den Familiennachzug bei Flüchtlingen mit nur vorübergehendem Schutzstatus wieder zuzulassen. Die Sorge um Angehörige führe bei Flüchtlingen mit Bleibeperspektive zu erheblichem Leid und enormen psychischen Belastungen. Auf der anderen Seite könnten ihnen ihre Familie Halt und Stabilität geben.

Wie die Autoren der Studie sprach er sich ebenfalls dafür aus, auch Flüchtlingen ohne Bleibeperspektive Sprach- und Ausbildungskurse zu ermöglichen, falls die Asylverfahren länger dauerten. Damit hätten sie auch bessere Startmöglichkeiten in ihren Herkunftsländern. Zugleich sollten Fluchtursachen bekämpft und diesen Ländern dafür mehr Geld zur Verfügung gestellt werden.

Neher sagte, er lehne es jedoch ab, Entwicklungsmittel als Gegenleistung für Rücknahmeabkommen oder bessere Grenzkontrollen anzubieten. Solche Abkommen beförderten Menschenrechtsverletzungen. Es sei „bedrückend“, so der Caritas-Präsident, dass die EU mit der Afrikanischen Union die Bereitschaft, Menschen zurückzunehmen, und die Grenzschutzverstärkung afrikanischer Partnerstaaten mit den Mitteln eines Treuhandfonds erkaufen wolle.

Laut Kriminalstatistik stieg die Zahl der polizeilich registrierten Gewalttaten in Niedersachsen zwischen 2014 und 2016 um 10,4 Prozent. Zu 92,1 Prozent sei diese Zunahme Flüchtlingen zuzurechnen, heißt es in der Studie. Allerdings weisen die Autoren Vorwürfe einer pauschal höheren Kriminalitätsneigung von Flüchtlingen zurück.

KNA

05.01.2018 - Deutschland , Flüchtlinge