Entscheidung zu Bluttests ruft kontroverse Reaktionen hervor

"Schleichende Selektion von ungeborenem Leben"

Die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses von Ärzten, Kassen und Kliniken (G-BA) zu vorgeburtlichen Bluttests trifft auf kontroverse Reaktionen. Union, Linke, Grüne und katholische Kirche kritisierten die Entscheidung, solche Tests unter engen Grenzen von den Kassen zahlen zu lassen. SPD und FDP begrüßten den Beschluss.

Der menschenrechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Michael Brand (CDU), warnte vor einem „zunehmenden Prozess schleichender Selektion von ungeborenem Leben“. Erbgut-Tests drohten zur Routine zu werden; das führe zu einem massiven Druck auf werdende Eltern, diese Angebote auch zu nutzen.

Für die Linke erklärte Kathrin Vogler, die Entscheidung sei ein Präzedenzfall für Hunderte weiterer Tests, die in der Entwicklung seien. Der G-BA habe aber kein Mandat, zu entscheiden, welche Normabweichungen tolerierbar seien. Vogler kündigte an, dass eine interfraktionelle Parlamentariergruppe aktiv werden will, um den Umgang mit solchen Gentests grundsätzlich zu regeln.

Auch die behindertenpolitische Sprecherin der Grünen, Corinna Rüffer, erklärte, die Politik müsse dringend die Bedingungen für genetische Testverfahren in der Schwangerschaft festlegen. „Schwangeren zu suggerieren, es sei ein Risiko, solch ein Kind zu bekommen, ist falsch.“

Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, forderte eine Stärkung von Kindern mit Behinderungen und deren Familien. Sie brauchten mehr Respekt, Anerkennung und staatliche Unterstützung, etwa bei Therapien, Hilfsmitteln oder der Suche nach einem Kita-Platz.

Die katholischen Bischöfe kritisierten, die Entscheidung berühre „den Schutz des ungeborenen Lebens auf empfindliche Weise, denn sie könnte die Entwicklung eines generellen Screenings auf eine Vielfalt von genetischen Auffälligkeiten und Eigenschaften im Rahmen der Pränataldiagnostik fördern“. Pressesprecher Matthias Kopp erklärte, nicht-invasive vorgeburtliche Tests verstärkten die Tendenz zu einer „Schwangerschaft auf Probe“. „Das lehnen wir aufgrund der Schutzwürdigkeit jedes menschlichen Lebens ab dem Zeitpunkt der Zeugung ab.“

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) befürchtet, dass es zu einem weiteren Anstieg bei den Abtreibungen wegen Down-Syndroms kommt. Präsident Thomas Sternberg warnte vor einer immer weitergehenden Qualitätskontrolle des ungeborenen Lebens. „Wir dürfen als Gesellschaft nicht zulassen, dass durch eine Kassenzulassung, die in der Verwaltungslogik folgerichtig erscheint, ungewollt die Rechte von Menschen mit Behinderungen schwer verletzt werden.“

Der Präsident des Deutschen Caritasverbands, Peter Neher, sprach von einer fatalen Entscheidung. „Damit wird sich der Blick auf Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft Stück für Stück verändern und sich auch der Druck auf Eltern eines Kindes mit Behinderung deutlich erhöhen.“

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis begrüßte demgegenüber die Entscheidung. Damit werde das Selbstbestimmungsrecht der Frauen gestärkt. Es handle sich zuerst um eine soziale und keine ethische Frage. Für die FDP-Fraktion erklärte die gesundheitspolitische Sprecherin Christine Aschenberg-Dugnus, die Kostenübernahme sei richtig: „Ein Test darf nicht vom Geldbeutel abhängen.“ Wichtig sei, dass es eine begleitende ärztliche Beratung gebe.

KNA

20.09.2019 - Gesundheit , Lebensschutz , Politik