"Proportionen verrutscht"

Ex-Ministerin sieht Familien in Corona-Krise alleingelassen

Die frühere Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) warnt vor einer Vernachlässigung von Familien in der Corona-Krise. Viele Eltern von Kindergarten- und Schulkindern könnten ihre Kinder im Home Office "gar nicht adäquat betreuen", sagte sie im Interview der "Süddeutschen Zeitung" (Freitag). Sie müssten die Kinder arbeitsbedingt vielfach "den halben Tag mit dem iPad abspeisen".

Dabei seien diese Kinder, die aktuell lediglich "eine anregungsarme Zeit" erlebten, noch die besten Fälle, kritisierte Schröder weiter: Anderen drohten Vernachlässigung und Gewalt. "Es gibt Kinder, die im Kindergarten eine Normalität und Geborgenheit erfahren, die sie zu Hause nicht haben. Ich glaube, dass es Kinderseelen gibt, in denen wir jetzt viel anrichten."

Die Politikerin forderte eine Debatte etwa über Kleingruppen in Kitas oder Betreuung in Schichtsystemen. "Man kann auf große Gemeindesäle oder Bürgerhäuser ausweichen, Bundesfreiwilligendienstler einbeziehen, Kindergärten in Wanderkindergärten umwandeln", sagte sie. Auch brauche es eine Studie zur bislang umstrittenen Frage, ob Kinder das Coronavirus vermehrt übertragen.

Auf vielen Gebieten gebe es aktuell Lockerungen, erläuterte Schröder, und überall sei dies mit einem gewissen Risiko verbunden. "Und nur bei den Kindergärten ist man dazu überhaupt nicht bereit? Da sind für mich die Proportionen, was wichtig und fürs Leben prägend ist, komplett verrutscht."

Nach Angaben von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) soll am kommenden Donnerstag über eine mögliche Lockerung der Regeln für die Kita-Betreuung beraten werden.

KNA

24.04.2020 - Corona , Kinder , Politik