Franziskus in Roma-Siedlung:

"Ihr seid der Kirche willkommen"

Im Osten der Slowakei hat Papst Franziskus am Dienstag eine der größten Roma-Siedlungen Europas besucht und mit mehreren zehntausend Christen eine Messe im sogenannten byzantinischen Ritus gefeiert. Der Besuch am Nachmittag in der Trabantenstadt Lunik IX in Kosice war der wohl symbolisch am meisten aufgeladene seiner viertägigen Reise. In der Ende der 1980er Jahre erbauten sozialistischen Plattensiedlung leben heute rund 4.300 Angehörige der Roma-Minderheit in teils menschenunwürdigen Verhältnissen.

Papst Franziskus erteilte "vorgefassten Meinungen, erbarmungslosen Urteilen, diskriminierenden Stereotypen" und Diffamierung von Roma eine klare Absage und warnte vor Schematisierungen von Menschen. Auf einem Platz zwischen den Plattenbauten rief er den Bewohnern zu: "Niemand halte euch oder jemand anderen von der Kirche fern!"

Beim Besuch einer Roma-Siedlung 2019 in Rumänien hatte der Papst bereits um Vergebung gebeten. An Diskriminierungen und Misshandlungen von Roma seien auch "Christen, Katholiken nicht unbeteiligt", sagte er damals. Der Übergang von Vorurteilen zum Dialog sei nicht einfach, räumte Franziskus nun ein. Integration sei ein organischer, langsamer Prozess, der mit "gegenseitigem Kennenlernen beginnt, mit Geduld fortschreitet und die Zukunft im Auge behält".

In einem Sportstadion im knapp 50 Kilometer entfernten Presov hatte der Papst am Vormittag einen Gottesdienst im ostkirchlichen Ritus gefeiert. Zu den mit Rom verbundenen griechisch-katholischen Bistümern Kosice und Presov gehören rund 190.000 Mitglieder.

In seiner Predigt würdigte er die christlichen Märtyrer des Landes, die ihren Glauben in sehr schwierigen Zeiten bezeugt hätten, "als es ratsam schien zu schweigen, in Deckung zu gehen". Heute, sagte der Papst, gebe es in der Slowakei "Gott sei Dank keine Christenverfolgung" wie andernorts. Das christliche Zeugnis könne aber "durch Weltlichkeit und Mittelmäßigkeit getrübt werden". Das Kreuz verlange ein klares Zeugnis, weil es keine Fahne sei, die es zu hissen gilt, sondern die "Quelle für eine neue Lebensweise".

Am späten Nachmittag traf der Papst im Stadion von Kosice mit einigen tausend Jugendlichen zusammen. Anschließend flog er nach Bratislava zurück. Heute, am letzten Reisetag, besucht Franziskus den Wallfahrtsort Sastin. Am Nachmittag reist er zurück nach Rom.

Die Rede von Franziskus vor Vertretern von Politik, Zivilgesellschaft und Religion am Vortag nahm in den slowakischen Zeitungen am Dienstag breiten Raum ein. Sie zitierten ihn unter anderem mit den Worten: "Sie haben die Verfolgung überlebt, Sie haben die Prüfung bestanden. Jetzt wartet die Prüfung der Freiheit."

Die Zeitungen registrieren zudem, dass sich der Papst am Montag auch Zeit für ein kurzes Treffen mit den Hinterbliebenen des ermordeten jungen Enthüllungsjournalisten Jan Kuciak und dessen Verlobter Martina Kusnirova nahm. Die juristische Aufarbeitung des Falls ist noch immer nicht rechtskräftig beendet. Der Chefredakteur der Zeitung "Dennik N", Matus Kostolny, erinnert in diesem Zusammenhang an die Worte des Papstes, die Gesetze müssten auf alle gleichermaßen angewandt werden; Gerechtigkeit dürfe "niemals käuflich sein".

KNA

15.09.2021 - Gesellschaft , Papst , Reise