Gedenken zum 8. Mai:

Appelle zum Einsatz für den Frieden

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat dazu aufgerufen, das Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren als Aufforderung für eine Stärkung Europas zu begreifen. "Aus dem Kriegsende folgt die Verpflichtung für Europa", sagte der CDU-Politiker dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Wichtig sei es auch, sich dafür verantwortlich zu fühlen, Errungenschaften wie Frieden und Demokratie nicht zu gefährden. "75 Jahre Frieden - das muss man wertschätzen und darf es nicht als gegeben abhaken."

Es zeige sich immer wieder, "wie zerbrechlich alles ist", so der Bundestagspräsident. "Das gilt in einem so historischen Abgrund und wir erleben es in der Banalität unseres Alltags. Ein kleines Detail der Pandemie zeigt es: Von Hamsterkäufen war Jahrzehnte nicht die Rede - und plötzlich horten alle Toilettenpapier."

Scharf wies Schäuble die Bewertung des AfD-Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland zurück, der den 8. Mai als Tag der absoluten Niederlage, der Gestaltungsmöglichkeiten beendet habe, bezeichnet hatte. "Ich habe eine völlig andere Position", so der CDU-Politiker: Natürlich sei der 8. Mai der Tag der Befreiung. "Der Abgrund der deutschen Geschichte und der europäischen Zivilisation ging zu Ende. Endlich."

Sein Entsetzen über den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg wachse immer weiter, so der 77-Jährige. "Je älter ich werde, umso fassungsloser werde ich", sagte Schäuble. "Das Ausmaß der Katastrophe wird mir immer noch mehr bewusst. Wie kann man so etwas tun? Wie kann man so sein? Das begreife ich einfach nicht."

Der Historiker Heinrich August Winkler bezeichnete den 8. Mai 1945 als "tiefste Zäsur der deutschen Geschichte". An diesem Tag habe nicht nur das Dritte Reich geendet, sagte er der "Passauer Neuen Presse". Zudem sei der erste deutsche Nationalstaat untergegangen, und niemand habe damals gewusst, "ob die Deutschen jemals wieder in einem Staat zusammenleben würden".

Unter diese Vergangenheit dürfe es keinen Schlussstrich geben, mahnte Winkler. Wenn Deutschland sich bemühe, die freiheitlichen Errungenschaften der Jahrzehnte nach 1945 zu verteidigen, "dann ist unsere Demokratie trotz aller Anfechtungen durch Extremisten auch für die Zukunft gesichert". Die Gefahr eines aktuell wieder wachsenden Antisemitismus müsse nicht nur von den Behörden, sondern auch "von der Zivilgesellschaft insgesamt äußerst ernst genommen und bekämpft werden".

Mit dem Kriegsende sei nicht "für alle automatisch die Freiheit oder das Ende der Gewalt" gekommen, sagte der Präsident des Bundes der Vertriebenen, Bernd Fabritius. Viele Millionen Menschen seien innerhalb Deutschlands geflüchtet oder vertrieben worden, Menschen sei zu Zwangsarbeit gezwungen worden. Auch das Schicksal derer, "die fortan als Minderheiten neuen, kommunistischen Diktaturen unterlagen", dürfe nicht vergessen werden, betonte Fabritius.

KNA

08.05.2020 - Deutschland , Gedenken , NS-Zeit