Niedersachsen plant Neutralitätsgesetz

Islamverband kritisiert drohende Stigmatisierung

Das in Niedersachsen geplante Gesetz, das unter anderem Richtern das Tragen religiöser Symbole bei Verhandlungen verbieten soll, sorgt weiter für Kritik unter Islamvertretern. Durch den Gesetzentwurf würden muslimische Frauen „auf ihre Kleidung reduziert, statt ihre hart erarbeitete Kompetenz zu beachten“, sagte der Landesverbandsvorsitzende des Zentralrats der Muslime (LV-ZMD), Sadiqu Al-Mousllie, am Montag in Hannover.

Kippa und Kopftuch seien keine Symbole, sondern eine religiöse Praxis religiöser Menschen. Die würden durch das Gesetz nicht nur von zentralen gesellschaftlichen Bereichen ausgeschlossen, sondern „nun auch in aller Öffentlichkeit stigmatisiert und darüber hinaus aufgrund ihrer Religion als parteiisch, befangen und voreingenommen diffamiert.“

Das Kopftuch sei in vielen Gegenden Deutschlands längt Alltag, betonte Al-Mousllie. „Vielleicht sollte man endlich beginnen, es ebenso zu behandeln.“ Das gelte auch für Richterinnen und Staatsanwältinnen mit Kopftuch, die bei ihrer Amtsübernahme auf die Verfassung schwören. Diesen Frauen wegen ihrer Religion zu misstrauen, sei unredlich.

Der moderne Staat sollte offen für die Religionen und Weltanschauungen seiner Bürger sein, gerade damit er selbst nicht religiös oder weltanschaulich wird, erklärte der LV-ZMD weiter. Sonst läge der Verdacht der Bevorzugung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe auf Kosten einer anderen nahe. Es sei Zeit für ein stärker distanzierendes Neutralitätsverständnis, das den gesellschaftlichen Realitäten Rechnung trage.

Ähnlich hatte vergangene Woche bereits der Landesverband der Muslime (Schura) argumentiert. Personen, die aus religiösen Gründen ein bestimmtes Kleidungsstück trügen, werde unterstellt, dass sie in ihrer Amtsausübung nicht neutral agieren könnten. Das aber sei eine nicht belegte Behauptung, hieß es.

Die katholische Kirche begrüßte dagegen den Gesetzentwurf. Richterliche Neutralität müsse sich auch in ihrem äußeren Erscheinungsbild ausdrücken. Deshalb sollten sie während ihrer richterlichen Tätigkeit keine Parteiabzeichen oder religiösen Symbole und Kleidungsstücke sichtbar tragen.

Die SPD/CDU-Landesregierung hatte beschlossen, den Gesetzentwurf zur Anpassung des Rechts der richterlichen Mitbestimmung und zur Stärkung der Neutralität in den Landtag einzubringen. Die Abgeordneten sollen sich laut Justizministerium voraussichtlich bereits im September mit dem Entwurf beschäftigen.

KNA