Kardinal Eijk:

Sterbehilfe-Urteil bringt mehr Unklarheit

Der Utrechter Kardinal Willem Jacobus Eijk sieht durch das jüngste Urteil des höchsten Gerichts größere Unklarheit für Ärzte bei aktiver Sterbehilfe für Demenzpatienten in den Niederlanden. "Statt Kriterien für die Interpretation der schriftlichen Sterbehilfe-Erklärungen von Patienten mit fortgeschrittener Demenz festzulegen, überlässt der Oberste Gerichtshof dies dem Urteil der beteiligten Ärzte - wodurch deren Unsicherheit nur noch wächst", erklärte Eijk.

Wie groß wäre die Wahrscheinlichkeit, dass Ärzte aktive Sterbehilfe aufgrund einer Patientenverfügung durchführen, wenn sie ihre Interpretation der Patientenverfügung vor Gericht verantworten müssten, fragt der Kardinal. "Wer menschliches Leben als einen universellen Wert betrachtet und überzeugt ist, dass es nicht durch aktive Sterbehilfe (...) beendet werden darf, würde es vorziehen, dass diese Handlungen niemals stattfinden", betonte Eijk.

Zwischen 2017 und 2018 waren die Zahlen aktiver Sterbehilfe in den Niederlanden um sieben Prozent gesunken. Der Kirchenvertreter führt dies unter anderem auf verschiedene Gerichtsprozesse in dieser Zeit zurück, in denen sich Ärzte und Pflegepersonal vor Gericht für die Durchführung aktiver Sterbehilfe verantworten mussten.

Zwischen 2018 und 2019 stiegen die Sterbehilfefälle wieder um 3,8 Prozent auf 6.361 an. Es sei zu befürchten, dass das Urteil des Obersten Gerichtshofs die Ärzte "für die Durchführung bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz zwar verunsichert, aber nicht generell zu einem Rückgang der Fälle von aktiver Sterbehilfe und ärztlich unterstütztem Suizid führen wird", sagte Eijk.

Das Gericht in Den Haag hatte aktive Sterbehilfe bei schwer dementen Patienten am Dienstag für zulässig erklärt, sofern eine entsprechende Patientenverfügung vorliegt. Es bestätigte damit den Freispruch einer Ärztin vom Vorwurf des Mordes.

Die Medizinerin hatte 2016 bei einer schwer demenzkranken Frau aktive Sterbehilfe geleistet. Die 74-Jährige hatte zwar eine Patientenverfügung unterzeichnet, wonach ihr Leben im Fall unerträglichen Leidens beendet werden sollte. Sie war aber bei Einleitung der Maßnahmen nicht mehr ansprechbar, und ihr Wunsch nach Sterbehilfe wurde von der Staatsanwaltschaft angezweifelt. Der Fall löste eine öffentliche Debatte aus. Nach dem Freispruch bat die Staatsanwaltschaft das Oberste Gericht um ein Grundsatzurteil.

In den Niederlanden ist aktive Sterbehilfe seit 2002 gestattet, wenn ein Patient keine Chance auf Heilung mehr hat, unerträglich leidet und wiederholt seinen Sterbewunsch geäußert hat.

KNA