Palliativmedizin

Ärzte gegen Freigabe von Betäubungsmittel für Suizid

Ärzte und Palliativmediziner haben sich gegen eine staatlichen Bereitstellung von Betäubungsmitteln zum Zwecke des Suizids ausgesprochen. Bei einer Anhörung des Gesundheitsausschusses im Bundestag warnte der Präsident der Bundesärztekammer Frank Ulrich Montgomery am Mittwoch davor, dass eine Behörde ermächtig werde, tödliche Mittel abzugeben. Thomas Sitte von der Deutschen Palliativ-Stiftung sagte: "Patienten müssen seit vielen Jahren nicht mehr an unerträglichen Schmerzen leiden." Nötig sei eine gute Begleitung und eine effektive Symptomlinderung.

Gegenstand der Anhörung war ein Antrag der FDP-Fraktion. Er fordert die Klarstellung, dass Patienten in extremen Ausnahmesituationen Betäubungsmittel zur Selbsttötung erhalten und schlägt dazu ein amtliches Verfahren vor. Das Bundesverwaltungsgericht hatte im März 2017 entschieden, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Bereitstellung eines Medikaments, das eine schmerzlose Selbsttötung ermöglicht, in Ausnahmesituationen nicht verwehren darf. Bislang hat das BfArM auf Anweisung des Bundesgesundheitsministeriums alle Anträge abgewiesen.

Montgomery verwies darauf, dass das Urteil auf einen Fall von 2005 abhebe. Mit dem Ausbau der Palliativmedizin herrsche heute eine neue Situation. Der Präsident der Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin, Lukas Radbruch, betonte, hinter einem Sterbewunsch verberge sich oft das Bedürfnis nach einem Gespräch und alternativen Angeboten. Patienten hätten zudem das Recht auf jeder Art von lebensverlängernder Therapie zu verzichten.

Unterschiedlich äußerten sich die Juristischen Experten. Der Hamburger Rechtswissenschaftler Reinhard Merkel bestritt, dass es sich im Falle einer Abgabe um eine staatliche Beihilfe zum Suizid handle. Zudem erlaube der Staat auch im Falle von Abtreibungen die Abgabe von Tötungsmitteln. Robert Roßbruch, der mehrere Antragsteller anwaltlich vertritt, war der Auffassung, dass das Selbstbestimmungsrecht vorrangig sei.

Der Gießener Rechtswissenschaftler Steffen Augsberg bewertete die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hingegen als "nahezu verfassungswidrig". Eine staatliche Behörde dürfe keine "Qualifizierung menschlichen Lebens" vornehmen. Zudem ergäbe sich Entscheidungsroutine, die wiederum nicht mit dem Paragrafen 217 Strafgesetzbuch in Einklang zu bringen sei; der Paragraf stellt die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe. Augsberg riet, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten, bei dem Klagen gegen den Paragrafen 217 anhängig sind.

Die Bioethikerin Sigrid Graumann warnte vor einem Dammbruch. Bei der geregelten Abgabe eines Suizidmittels werde "der extreme Notfall zum erlaubten Normalfall". Auch die Vertreterin des Katholischen Büros in Berlin, Katharina Jestaedt, warnte vor einer "Erosion sozialer Normen" wie in Belgien oder den Niederlanden. Mit seiner Beteiligung würde der Staat dokumentieren, dass er den Suizid als legitime Alternative zur Palliativmedizin ansähe.

KNA

21.02.2019 - Ethik , Gesundheit , Politik