NRW-Landtag:

Schicksal von "Verschickungskindern" aufklären

Der nordrhein-westfälische Landtag will sich dafür einsetzen, das Schicksal von "Verschickungskindern" aufzuklären und Betroffenen Hilfe zukommen zu lassen. Ein entsprechender Antrag der SPD-Fraktion wurde am Mittwoch einstimmig zur Weiterberatung an den Familien- sowie den Gesundheitsausschuss überwiesen. Dabei geht es um Jungen und Mädchen, die in den 1950ern bis in die 1990er Jahre in Kinderkureinrichtungen Prügel, Essenszwang, Redeverbote, Misshandlungen und Medikamentenmissbrauch erlebten.

Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) erklärte, die Landesregierung unterstütze das Anliegen. In seinem Haus sei eine entsprechende Arbeitsgruppe eingesetzt worden. Das Ausmaß der Geschehnisse lasse sich bislang nur erahnen; die Aufklärung stehe noch ganz am Anfang. Daher müsse der Bund unter Einbeziehung der Betroffenen eine Studie in Auftrag geben. Es sei davon auszugehen, dass damalige staatliche und gesellschaftliche Institutionen versagten.

Der SPD-Familienexperte Dennis Maelzer sagte, mehr als 10 Millionen Kinder seien bundesweit "verschickt" worden, um sich in Heimen und Anstalten zu erholen. Bis vor Kurzem seien ihm diese Schicksale nicht bekannt gewesen. Er und die CDU-Familienpolitikerin Charlotte Quik sprachen von einer "schwarzen Pädagogik", die AfD-Politikerin Iris Dworeck-Danielowski von einem "Verbrechen". Betroffene müssten bei Erfüllung der Voraussetzungen Leistungen aus dem Opferentschädigungsgesetz erhalten, so Quik.

Die familienpolitische Sprecherin der Grünen, Josefine Paul, sagte, viele Kinder hätten "eine Hölle aus Gewalt, Erniedrigung, Isolation, Angst bis hin zu sexuellen Übergriffen" erlebt. Es sei zu klären, warum staatliche Kontrollen damals versagt hätten.

Der FDP-Familienexperte Marcel Hafke begrüßte, dass die Landesregierung mit der "Initiative Verschickungskinder" bereits im konstruktiven Austausch sei. Er verwies darauf, dass die Jugend- und Familienministerkonferenz im Mai die Bundesregierung aufgefordert hat, eine bundesweite Aufklärung anzugehen. Dieser Beschluss mache die von der SPD geforderte Bundesratsinitiative überflüssig.

Die SPD-Fraktion fordert in dem Antrag Finanzmittel des Landes, um die Vernetzungsarbeit der "Verschickungskinder" zu unterstützen. Zudem sollten Therapien und Aufarbeitung gefördert und eine Interessenvertretung der Geschädigten geschaffen werden.

Das ARD-Politmagazin hatte im Dezember 2019 über die Problematik erstmals berichtet. Träger der Einrichtungen waren Kommunen, Wohlfahrtsverbände, Versicherungsanstalten und Krankenkassen.

KNA

08.10.2020 - Aufarbeitung , Gewalt , Kinder