Keine Heilsversprechen

Theologe: Gentechnik weder verklären noch tabuisieren

Gegen ein Schwarz-Weiß-Denken in der ethischen Bewertung der modernen Gentechnik hat sich der Heidelberger Theologe Philipp Stoellger gewandt. "Unrealistische Heilsversprechen helfen uns genauso wenig weiter wie eine Dämonisierung der Forschung oder unbegründete Rufe nach Tabus", sagte Stoellger am Mittwoch bei einer Tagung des Heidelberger Marsilius-Kollegs.

Entscheidend sei ein Nachdenken darüber, "in welchem Geist das schier unglaubliche Potenzial der neuen Techniken" genutzt werde. Unterschiedliche Anwendungs- und Forschungsfelder erforderten unterschiedliche ethische Regeln, so der evangelische Theologe. "Für mich wäre es etwa verweigerte Hilfeleistung, wenn wir nicht das Ziel weiter verfolgten, durch einzelne Genfehler verursachte Krankheiten mittels Genreparatur zu heilen." Andererseits seien insbesondere die Theologen aufgerufen, "immer wieder daran zu erinnern, dass Menschsein mehr ist als ein Produkt der Gene".

Der Biologe Jochen Wittbrodt wandte sich gegen zu große Erwartungen an neue Techniken wie die Genschere Crispr-Cas. "Die Wissenschaft ist längst noch nicht so weit, wie viele Menschen heute glauben oder befürchten." Das von Forschergruppen weltweit verfolgte Ziel, Genabschnitte herauszuschneiden und durch reparierte Gene zu ersetzen, funktioniere beispielsweise in weniger als einem Prozent der Versuche und habe fast immer nicht kontrollierbare Nebeneffekte. Grundlegende Mechanismen, wie die Gene menschliches Leben zu bestimmen und zu verändern, seien nicht verstanden. "Es ist schlicht arrogant zu behaupten, wir könnten die Evolution verbessern. Aus meiner Sicht wird es niemals dazu kommen, dass Menschen gezielt designt werden", so der Grundlagenforscher.

Die Heidelberger Krebsforscherin Ursula Klingmüller, die auch im Deutschen Ethikrat sitzt, will ein breiteres gesellschaftliches und wissenschaftliches Nachdenken über mögliche Folgen der Gentechnik. "Wir müssen uns auf eine Ethik verständigen, bevor der technische Fortschritt uns unvorbereitet trifft." Sie verwies auf eine für das kommende Jahre geplante Stellungnahme des Ethikrats. Ziel müsse letztlich eine globale Debatte sein. "Ich teile nicht den vielfach geäußerten Pessimismus, dass es bei diesen wichtigen Zukunftsfragen keine Verständigung geben kann."

KNA

14.11.2018 - Wissenschaft