Theologe Halik:

Geschlossene Kirchen auch als Aufruf verstehen

Die wegen der Corona-Pandemie geschlossenen Kirchen sieht der Prager katholische Priester Tomas Halik als "ein Zeichen Gottes und als einen Aufruf". Möglicherweise sei diese Zeit der leeren Gotteshäuser ein warnender Blick in eine nicht allzu weit entfernte Zukunft, schreibt Halik in einem Gastbeitrag für die "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" (Donnerstag).

"So könnte das in ein paar Jahren in einem Großteil unserer Welt aussehen. Sind wir denn nicht genug gewarnt durch die Entwicklung in vielen Ländern, in denen sich die Kirchen, Klöster und Priesterseminare immer weiter leerten und schlossen?", fragt der Theologe.

Vielleicht zeigten die leeren Gebäude "den Kirchen symbolisch ihre verborgene Leere und eine mögliche Zukunft auf, die eintreten könnte, wenn die Kirchen nicht ernsthaft versuchen, der Welt eine ganz andere Gestalt des Christentums zu präsentieren". Zu wenig habe man an die eigene Umkehr gedacht.

Halik warb dafür, das der Corona-Krise geschuldete Fasten von den Gottesdiensten und vom kirchlichen Betrieb als eine Zeit zu sehen, die Gelegenheit zum Innehalten und zum Nachdenken biete. "Ich bin überzeugt, dass die Zeit gekommen ist, in der man überlegen sollte, wie man auf dem Weg der Reform weitergehen will, von deren Notwendigkeit Papst Franziskus spricht: weder Versuche einer Rückkehr in eine Welt, die es nicht mehr gibt, noch ein Sichverlassen auf bloße äußere Reformen von Strukturen, sondern eine Wende hin zum Kern des Evangeliums, ein 'Weg in die Tiefe'."

Halik sagte, er sei überzeugt davon, "dass sich unsere christlichen Kommunitäten, Pfarreien, Kollegien, kirchlichen Bewegungen und Ordenskommunitäten dem Ideal annähern sollten, aus dem die europäischen Universitäten entstanden sind". Das bedeute eine Gemeinschaft von Schülern, eine "Schule der Weisheit, in der die Wahrheit durch freie Disputation und durch tiefe Kontemplation" gesucht werde. "Aus solchen Inseln der Spiritualität und des Dialogs kann eine genesende Kraft für die kranke Welt hervorgehen."

KNA

02.04.2020 - Corona , Gesellschaft , Kirchen