Anhörung des Gesundheitsausschusses im Bundestag

Widerspruchslösung bei Organspende unter Experten umstritten

Die Widerspruchslösung bei der Reform der Organspende ist unter Experten hoch umstritten. Bei einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestags gab es am Mittwoch neben Zustimmung auch grundsätzliche Zweifel an der ethischen Vertretbarkeit.

Gegenstand der Anhörung waren zwei konkurrierende Gesetzentwürfe, die die Zahl der Organspenden erhöhen sollen, sowie ein Antrag der AfD, der das Vertrauen in die Spende durch staatliche Aufsicht steigern will. Der Bundestag will die Organspende wohl noch in diesem Jahr neu regeln.

Die Gesetzentwürfe werden jeweils von Abgeordnetengruppen aus verschiedenen Fraktionen getragen. Nach der sogenannten doppelten Widerspruchslösung gilt künftig jeder automatisch als möglicher Organspender, sofern er dem nicht zu Lebzeiten widersprochen hat. Sofern keine Äußerung vorliegt, können auch die Angehörigen widersprechen, allerdings nur, wenn sie nachweisen können, dass dies dem Willen des potenziellen Spenders entspricht. Der Entwurf wird von Abgeordneten um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach getragen.

Der alternative Gesetzentwurf ist eine moderate Weiterentwicklung der bestehenden Regelung. Er will Bürger stärker motiviern, sich zur Organspende zu äußern und wird von einer Gruppe um die Grünen-Bundesvorsitzende Annalena Baerbock und den ehemaligen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) unterstützt. Danach ist weiterhin nur derjenige Organspender, der zu Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt hat.

Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt (BÄK) sprach sich für eine Widerspruchslösung aus. Es sei zumutbar, dass die Bürger sich mit dem Thema befassten. 80 Prozent der Bürger ständen der Organspende positiv gegenüber. Die Selbstbestimmung bleibe erhalten. Der Hamburger Rechtswissenschaftler Reinhard Merkel befürwortete ebenfalls die Widerspruchslösung und sprach von einer ethisch wohlbegründeten Pflicht, im Sinne staatsbürgerlicher Solidarität eine Entscheidung zu treffen.

Der Nürnberger Ethiker Peter Dabrock, der auch Vorsitzender des Deutschen Ethikrats ist, bewertete die „doppelte Widerspruchslösung“ hingegen als problematisch. Der Name sei ein „Etikettenschwindel“, da es kein eigenes Widerspruchsrecht für die engsten Verwandten gebe. Auch könne Schweigen nicht als Zustimmung gewertet werden.

Nach Einschätzung des Leiters des Kommissariats der deutschen Bischöfe, Karl Jüsten, vernachlässigt die Widerspruchslösung das Prinzip der informierten Einwilligung und „konterkariert fundamentale Kriterien der Medizinethik“. Sie beschneide die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen unverhältnismäßig.

Auch der Greifswalder Rechtswissenschaftler Heinrich Lang bewertete die Widerspruchslösung als unvereinbar mit dem Selbstbestimmungsrecht über die eigene Leiblichkeit. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, erklärte, Schweigen sei keine Zustimmung. Das Recht auf Selbstbestimmung würde eingeschränkt, wie es beispielsweise im Datenschutz, im Verbraucher- oder Medizinrecht ansonsten unvorstellbar wäre.

KNA

26.09.2019 - Deutschland , Lebensschutz , Medizin