ZdK-Vollversammlung

Diskussion über Missbrauchsaufarbeitung, Katholikentag und möglicher Umzug

Die Zukunft der Rente, Reformen in der Pflege, der UN-Migrationspakt. Viel zu besprechen gab es bei der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Das Treffen dominierte allerdings ein anderes Thema.

Zum Schluss seiner Vollversammlung widmete sich das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) am Samstag in Bonn kirchlichen Großveranstaltungen: dem Ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt und dem Katholikentag 2022 in Stuttgart. Eine Debatte über einen Europäischen Katholikentag hatten die Teilnehmer zu Beginn der Sitzung am Freitag vertagt. Stattdessen setzte ein Grußwort von Kardinal Rainer Maria Woelki einen ersten Akzent in eine andere Richtung.

Der Kölner Erzbischof äußerte die Vermutung, "dass in der heutigen Zeit kirchliche Massenveranstaltungen zurückgehen werden". Christen, so Woelki, hätten zunehmend Schwierigkeiten, in der Gesellschaft Gehör zu finden. Diesen Trend gebe es zwar schon länger. Aber er habe durch den Skandal um sexuellen Missbrauch in der Kirche an Schärfe gewonnen.

Zumindest über mangelndes Medieninteresse konnte sich das ZdK bei seinem Treffen nicht beklagen. Radio- und TV-Journalisten, dazu Internetmedien, Agenturen und Zeitungen waren reichlich vertreten und verfolgten die offen geführten Debatten über die Zukunft der Kirche - die eng verknüpft ist mit der angemessenen Aufarbeitung und Prävention in Sachen Missbrauch. Es bleibt nicht mehr viel Zeit, lautete eine Kernbotschaft.

Die Kirche stehe an einem Scheideweg, sagte Jesuit Klaus Mertes. Viele Katholiken an der Basis erwarteten von allen Bischöfen die Bereitschaft, die Verantwortung für strukturelles Versagen der Institution klar erkennbar zu übernehmen und eine entsprechende Änderung der Strukturen herbeizuführen. Wer sich täglich in der Ebene abmühe und dann "absurde Interviews" von dem ein oder anderen Nuntius oder Kardinal lesen müsse, den packe irgendwann auch "Trauer und Zorn".

Genau das ist ein nicht unwesentlicher Teil des Problems, wie der Hamburger Erzbischof Stefan Heße anklingen ließ, ähnlich wie es vor knapp einer Woche sein Amtsbruder Stephan Ackermann in einem "Spiegel"-Interview tat. Das Thema sorge für Spannungen unter den Bischöfen, sagte Heße. Über den weiteren Kurs gebe es unterschiedliche Ansichten. Dabei seien weitere Maßnahmen notwendig, um die Aufarbeitung voranzutreiben.

Eine dieser Maßnahmen nannte ZdK-Präsident Thomas Sternberg. Er sprach sich für eine unabhängige Kommission aus, die die Präventionsarbeit der 27 Bistümer in Deutschland kontrollieren und vereinheitlichen könne. Die sogenannte Gemeinsame Konferenz aus Vertretern der Deutschen Bischofskonferenz und dem ZdK solle ein solches Gremium aus Frauen und Männern wählen, die nicht in einem kirchlichen Anstellungsverhältnis stehen. Weiter forderte er, nicht verjährte Straftaten oder Beschuldigungen den Staatsanwaltschaften zu melden.

Das Plenum ging wenig später mit einer von einer großen Mehrheit getragenen Erklärung noch weiter Richtung innerkirchlicher Reformen: Frauen sollten Zugang zu allen kirchlichen Ämtern erhalten, die verpflichtende Ehelosigkeit für Priester abgeschafft und die kirchliche Sexualmoral neu ausgerichtet werden.

In Zeiten der Individualisierung und des Populismus brauche die Politik eigentlich gesellschaftliche Partner, die sich als "gemeinwohlorientierte Akteure verstehen", so Mertes, der als damaliger Leiter des Berliner Canisius-Kollegs 2010 Fälle von Missbrauch in kirchlichen Schulen publik machte und damit die Debatte in Gang setzte. "Und das sind wir ja als Kirche."

Kardinal Woelki wünschte sich unterdessen "Wanderprediger", die "ganz persönlich, von Angesicht zu Angesicht, in Wort und Tat" Zeugnis von der Botschaft des Evangeliums ablegen. Wie viel Hierarchie es dafür in der Kirche braucht, lautet die spannende Frage. Die ZdK-Vertreter mischten sich am Freitagabend unter die Menschen, bei einem öffentlichen Gebet für Menschlichkeit und Toleranz auf dem Bonner Marktplatz. Am Samstag berieten sie über einen möglichen Umzug nach Berlin - der Nähe zur Politik und den Medien wegen. Die eigentlichen Herausforderungen für das Kirchenvolk liegen freilich woanders.

Joachim Heinz/KNA